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Bedarfsanforderung – die Mitarbeitenden von Beginn an mitnehmen

Peter Hagenow, KWS Saat, und Henning Hatje, Lhotse
Bedarfsanforderung – die Mitarbeitenden von Beginn an mitnehmen

Bedarfsanforderung – die Mitarbeitenden von Beginn an mitnehmen
Die korrekte Definition einer Bestellanforderung, ist der Grundstein für alle nachfolgenden Prozesse im Beschaffungszyklus. Deshalb ist es wichtig, den Bedarfsträgern eine Orientierungshilfe an die Hand zu geben. Bild: Visions-AD/ stock.adobe.com

Was in der Beschaffung einst ein trivialer Prozess war, hat sich im Laufe der Zeit zu einem komplexen Labyrinth aus internen und externen Anforderungen entwickelt, die es zu bewältigen gilt. Diese Herausforderungen in Kombination mit der Dringlichkeit, Abläufe zu rationalisieren und die Mitarbeitenden mitzunehmen, erfordern Prozesse, die nicht nur effizient sind, sondern sich auch an die sich verändernde Unternehmenslandschaft anpassen lassen. Um dieses Thema zu vertiefen, hat Beschaffung aktuell mit Henning Hatje, Co-Founder von Lhotse, und Peter Hagenow, Head of Strategic Group Procurement der KWS-Gruppe, gesprochen.

Beschaffung aktuell: Herr Hatje, Lhotse hat sich seit seiner Gründung 2020 von einer Plattform für die indirekte Beschaffung zu einem Tool für die schnelle und korrekte BANF-Erstellung gewandelt. Wie kam es dazu?

Henning Hatje: Als Startup arbeiten wir, gerade in den ersten 1-2 Jahren, sehr hypothesenbasiert. Das heißt, dass wir unsere Ideen und Annahmen immer weiter mit Kunden verproben und testen. In dem Prozess kommt man manchmal zu dem Schluss: Wir laufen zwar gerade nach Osten. Das Problem lösen wir aber, wenn wir nach Westen laufen. Konkret haben wir festgestellt, dass viele Probleme in (indirekten) Einkaufsprozessen am Anfang bei den Bedarfsträgern entstehen. So führt beispielsweise eine schlecht bzw. falsch definierte BANF zu mehr als doppelt so langen Durchlaufzeiten. Dann werden aus wenigen Tagen schnell zwei bis drei Wochen. Leider ist das keine Seltenheit. Zwischen 30 und 50 Prozent der Bedarfsanforderungen sind typischerweise fehlerhaft.

KWS Saat war nach der Gründung von Lhotse einer der ersten Kunden, wie sieht die Zusammenarbeit heute aus?

Hatje: Mit KWS Saat sind wir unsere ersten Schritte gegangen und haben viel Feedback gesammelt, die erste Version unserer Software entwickelt und geschärft. Heute haben wir nach wie vor ein enges Verhältnis zu den verschiedenen Einkaufsteams bei KWS und geben uns gegenseitig Feedback zu Features, aber auch zu Vorhaben die KWS vorantreiben möchte – unabhängig von Lhotse.

Herr Hagenow, warum ist es so schwierig, Beschaffungsprozesse zu optimieren? Es gibt heute „Procurement Excellence“-Abteilungen in großen Unternehmen, die sich nur mit diesem Thema beschäftigen.

Mit über 15 Jahren internationaler Erfahrung in verschiedenen Branchen und Funktionen verfügt Peter Hagenow, Head of Strategic Group Procurement der KWS-Gruppe, über ein umfangreiches Fachwissen. Bild: KWS

Peter Hagenow: In der Vergangenheit war die Prozessoptimierung in der Beschaffung aufgrund in sich geschlossener Abteilungen, fehlender technologischer Hilfsmittel und des Widerstands gegen Veränderungen eine Herausforderung. Viele Unternehmen arbeiten isoliert. Jede Abteilung hat ihre eigenen Prozesse, was zu Ineffizienzen und Fehlabstimmungen führt. Aufgrund dieser Komplexität und Dezentralisierung fühlen sich die Beteiligten oft überfordert, was zu Verzögerungen bei der Beschaffung oder sogar zur völligen Umgehung von Richtlinien führt.

Warum ist das Thema derzeit so im Fokus?

Hagenow: Die aktuelle Geschäftswelt erfordert Geschwindigkeit, Prozess-Compliance und Flexibilität. Mit dem Voranschreiten der digitalen Transformation besteht die dringende Notwendigkeit, die Abläufe zu rationalisieren und sicherzustellen, dass Prozesse die Exekution nicht erschweren. Darüber hinaus wird mit Vorschriften wie dem Lieferkettengesetz der Schwerpunkt verstärkt auf Compliance und Transparenz gelegt.

Welche Prozesse in einem Unternehmen müssen abgedeckt werden?

Hagenow: Ein vollständiger Workflow geht über die Beschaffung und Compliance hinaus. Ein Unternehmen ist eine komplexe Organisation mit mehreren Abteilungen und miteinander verknüpften Prozessen. Ein effektiver Workflow sollte die Abläufe vereinfachen, indem er alle relevanten Abteilungen einbezieht – wie IT, Legal, Logistik und Finanzen. Dies bedeutet, dass ein nahtloser Informationsfluss zwischen diesen Abteilungen sichergestellt werden muss, damit alle Beteiligten über die Daten verfügen, die sie für fundierte Entscheidungen benötigen. Es bedeutet auch, dass die von jeder Abteilung verwendeten Tools in einen einzigen, einheitlichen Workflow integriert werden müssen.

Sie sprachen Anfangs von internen Widerständen. Wie holt man die Mitarbeiter ab?

Hagenow: Enablement ist der Schlüsselfaktor. Es geht darum, die Teams über die Vorteile der optimierten Prozesse aufzuklären, die notwendigen Schulungen anzubieten und dafür zu sorgen, dass sie über die nötigen Werkzeuge verfügen. Wenn Mitarbeiter die konkreten Vorteile sehen, sind sie eher bereit, sich auf Veränderungen einzulassen. Es ist wichtig, die Menschen zu erreichen, die nicht täglich mit diesen Prozessen zu tun haben. Ein Beispiel aus dem Einkauf, dass einigen Unternehmen bekannt vorkommen dürfte:

Obwohl viele über hochentwickelte E-Procurement-Systeme verfügen, haben Unternehmen Probleme mit der Nutzerakzeptanz. Während diese Systeme für Einkäufer effizient und intuitiv sein mögen, entsprechen sie oft nicht den Anforderungen von Business Usern, die einfach nur ein Produkt oder eine Dienstleistung schnell anfordern wollen. Die Hürden für die Nutzung eines Systems müssen so niedrig wie möglich sein, damit ein ordnungsgemäßer Prozess funktionieren kann. Intelligente Integrationen, wie zum Beisoiel in MS Teams, können die Akzeptanzraten immens steigern. Die Benutzer in den Unternehmen fühlen sich bei der täglichen Arbeit mit diesen Plattformen wohl, was ihr Vertrauen in das System stärkt.

Warum ist es so wichtig, sich auf den Beginn des Procure-to-Pay Prozesses zu konzentrieren?

Hagenow: Der Einstiegspunkt, also die saubere Definition einer Bestellanforderung, ist der Grundstein für alle nachfolgenden Prozesse im Beschaffungszyklus. Sie wird auch entscheidend für den Erfolg von Automatisierungs- und KI-Technologien in der Zukunft sein. Nur wenn die anfänglichen Informationen qualitativ sind, können diese Technologien in späteren Phasen effektiv funktionieren.

Vom Bedarf zur Beschaffung – Erfahrungsbericht aus dem Mittelstand

Es ist deshalb wichtig, den Bedarfsträgern eine Orientierungshilfe an die Hand zu geben, damit sie ihre Anforderungen schnell und einfach definieren können. Dadurch wird sichergestellt, dass der Einkauf alle erforderlichen Informationen in einer strukturierten Art und Weise erhält. Indem wir uns auf die Qualität der Informationen am Einstiegspunkt konzentrieren, schaffen wir die Voraussetzungen für einen effizienteren, transparenteren und erfolgreicheren Beschaffungsprozess.

Wie laufen die Bedarfsanforderung und der Genehmigungsprozess mit Lhotse konkret ab?

Henning Hatje ist Co-Founder des Procurement Startups Lhotse. Davor war er vier Jahre als Management Consultant bei der Boston Consulting Group tätig. Bild: Lhotse

Hatje: Die Bedarfsanforderung erfolgt mit Lhotse entweder in unserer Nutzeroberfläche, integriert in SAP oder SAP Ariba, oder über den „Schnelleinstieg“ in MS Teams. Für letzteren Fall haben wir einen Bot entwickelt, der Bedarfsträger ganz einfach abholt. In den Folgeschritten durchläuft der Bedarfsträger dann ein einfaches, dynamisches Frage-Antwort-Spiel und kommt so in möglichst wenigen Schritten zur „perfekten BANF“.

An den Genehmigungsprozessen bei uns ist das besondere, dass diese durch den Einkauf sehr einfach und flexibel konfiguriert werden können. Unser Workflow kann allerdings noch viel mehr, beispielsweise die Einbindung von Drittlösungen wie Jira oder Integrity Next. So können andere Stakeholder in ihren bekannten Tools bleiben, auch wenn sie gerade zu einem Einkaufsprozess beisteuern.

Herr Hagenow, was ist Ihrer Meinung nach bei der Implementierung von Workflows wichtig?

Hagenow: Flexibilität und Skalierbarkeit sind entscheidend. Workflows sollten so konzipiert sein, dass sie sich mit den Anforderungen des Unternehmens weiterentwickeln. Sie sollten integriert und automatisiert werden können und mit der Zeit wachsen.

Welche Tools können dafür sinnvoll sein?

Hagenow: Die meisten E-Procurement-Suiten unterstützen auch die Erstellung von Workflows. Diese können jedoch häufig nicht ohne IT-Unterstützung erstellt werden und sind oft nicht flexibel genug. Spezialisierte Workflow-Tools wie ServiceNow haben sich daher als sinnvolle Ergänzung erwiesen. Generell ist es wichtig, ein Tool zu wählen, das auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen des Unternehmens zugeschnitten ist.

Herr Hatje, auf dem BME-Symposium haben Sie den KI-basierten Lhotse Co-Pilot vorgestellt. Was kann man sich darunter vorstellen?

Hatje: Lhotse Co-Pilot ist der Einkaufsassistent, der niemals schläft. Der immer verfügbar ist, und alles parat hat, was für reibungslose BANF-Prozesse wichtig ist. Als hätte jeder Bedarfsträger einen operativen Einkäufer auf dem Schoß sitzen, der sicherstellt, dass alle Eingaben stimmen. Mit dem Co-Pilot heben wir die Einfachheit des BANF-Prozesses nochmal auf ein neues Level. Das Feature ist aktuell in der Beta-Version, wir entwickeln es gerade gemeinsam mit einigen der fortschrittlichsten Einkaufsbereiche zur „Marktreife.“ Das ist das aufregendste Projekt bis jetzt!

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