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Building Information Modeling erleichtert den Projekteinkauf

Projekteinkauf: Building Information Modeling
Bauen mit dem digitalen Zwilling

Bauen mit dem digitalen Zwilling
Building Information Modeling (BIM) beschreibt eine digitale Arbeitsmethode für die vernetzte Planung, den Bau und die Bewirtschaftung von Gebäuden. Dabei werden alle relevanten Bauwerksdaten modelliert, kombiniert und erfasst. Bild: innni/stock.adobe.com
Mit datenbasierten Modellen lassen sich Bauvorhaben exakt vorausplanen. Für den Einkauf ergeben sich frühzeitig belastbare Informationen über den Beschaffungsbedarf. Die rechtlichen Hürden sind dabei gut zu managen; herausfordernd ist eher der technische Aufwand.

Die Realisierung von Bauvorhaben stellt hohe Anforderungen an die Beschaffungsseite. Die Kosten von Anfang an richtig zu kalkulieren, um sich später nicht mit kostspieligen Nachträgen konfrontiert zu sehen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Mehr Planungssicherheit verspricht eine Methode, die das gesamte Vorhaben vorab bis ins Detail digital abbildet: Building Information Modeling (BIM).

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Rechtsanwältin Dr. Inga Maaske von der Kanzlei Kapellmann und Partner.
Bild: Kapellmann

„Eine Planung mit BIM bietet eine höhere Gewähr, dass der Beschaffungsbedarf richtig und vollständig beschrieben wurde und der Einkauf somit eine vollständige Bauleistung am Markt einkaufen kann“, fasst Rechtsanwältin Dr. Inga Maaske von der Kanzlei Kapellmann und Partner in Düsseldorf die Vorteile auf Einkäuferseite zusammen. „Zudem sind die Risiken nachträglicher Kostensteigerungen gegenüber den ursprünglichen Beschaffungspreisen geringer.“

Die Methode nutzt gegenüber herkömmlichen IT-Modellen deutlich mehr Informationen und schafft eine synchronisierte Datenbasis, auf die alle am Bau Beteiligten zugreifen können. Mittels der Daten sämtlicher Gewerke entsteht ein digitaler Zwilling des geplanten Bauwerks, der es erlaubt zu experimentieren, umzuplanen und verschiedene Planungen, Materialien und Ausführungen vorab durchzuspielen. Zu den einzelnen Varianten errechnet das Modell dann jeweils die Bedarfe und Kosten, so zumindest die Theorie.

Baubranche noch wenig digital

Doch was für die Bauherrenseite so verheißungsvoll klingt, kann auf Auftraggeberseite noch nicht vollständig abgebildet werden. Eine aktuelle Studie der Beratungsgesellschaft PwC zu den Herausforderungen der deutschen Bauindustrie 2023 offenbart eine immer größer werdende Lücke zwischen dem Potenzial digitaler Lösungen und dem tatsächlichen Einsatz in den Planungsbüros und Baubetrieben. Während sich digitale Technologien immer schneller weiterentwickeln, gelänge es den Bauunternehmen nicht, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten und die für den gewinnbringenden Einsatz der Tools notwendigen Fähigkeiten aufzubauen, so die PwC-Studie.

Die Bundesregierung will der Branche auf die Sprünge helfen und verfolgt bereits seit einigen Jahren den „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“. Auf der Projekt-Website gibt man inzwischen allerdings zu: „Der Einsatz von BIM ist voraussetzungsreich, daher war von Beginn an klar, dass die Einführung in Deutschland nicht mit einem einfachen Federstrich zu bewältigen sein würde.“

Dabei sind die Einsatzbereiche des BIM äußerst vielfältig. 21 standardisierte Anwendungsfälle hat man zwischenzeitlich offiziell zusammengetragen, von der Bedarfsplanung über Leistungsverzeichnis, Ausschreibung und Vergabe bis hin zu Kostenkontrolle und Nachtragsmanagement – allesamt Themen, die auf Beschaffungsseite von größtem Interesse sind.

„Der Einkaufsprozess von Bauleistungen erfolgt auch im Rahmen eines BIM-Projekts in der Regel noch auf Basis von ‚klassischen‘ Ausschreibungsdokumenten wie Leistungsverzeichnissen, Grundrissen, Schnitten und Ansichten, die die Planer des Auftraggebers aus BIM-Modellen ableiten müssen“, erläutert Anwältin Maaske. Noch seien Bauunternehmen eher selten dazu bereit, allein auf Basis bereitgestellter BIM-Modelle Baupreise zu kalkulieren, „perspektivisch wird sich die Beschaffung mit Hilfe von BIM allerdings einfacher gestalten, da etwa Leistungsverzeichnisse direkt und automatisiert aus dem BIM-Modell abgeleitet werden können“, ist Maaske sich sicher.

Spezifizierende Maßnahmen: AIA, BAP, BVB

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Dr. Jan Tulke, Geschäftsführer von planen-bauen 4.0.
Bild: planen-bauen 4.0

Ist die Entscheidung pro BIM gefallen und steht fest, wie und wofür es im Projekt konkret eingesetzt werden soll, muss der Bauherr zusammen mit seinen Planern und Einkäufern die Anforderungen an den BIM-Prozess durch sogenannte Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) eindeutig bestimmen. „Die AIA definieren den anwendungsfallbezogenen Informationsbedarf, den ein Bauherr von seinen Auftragnehmern einfordert“, sagt Dr. Jan Tulke, Geschäftsführer von planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens, Berlin. „Wichtig sind hier möglichst explizite Vorgaben – genannt LOIN, für Level of Information Needs –, die genau definieren, wer wann welche Informationen in welcher Detailtiefe und Form zu liefern hat.“

Zu den AIA muss sich ein BAP gesellen, ein BIM-Ablaufplan. Er hat zu regeln, wie die Projektbeteiligten die vom Auftraggeber vorgegebenen Anwendungsfälle umsetzen. „Schließlich sind spezifische Leistungsbilder und BIM-Vertragsbedingungen (BIM-BVB) zu erstellen“, erläutert Baurechtlerin Maaske den dritten Schritt. Sie rät Planungs-, Rechts- und Einkaufsabteilung, bei der Erstellung der Vertragsunterlagen auf vorhandene Muster und Empfehlungen aufzusetzen und mit leistungsfähigen und BIM-erfahrenen Unternehmen zusammenzuarbeiten.

Spezifische Haftungsfragen klären

Auftraggeber- wie -nehmerseitig ist die Frage von Interesse, ob sich für die Projektbeteiligten durch BIM die Gefahr einer Haftung erhöht. Anwältin Maaske beruhigt: „Grundsätzlich bestehen keine erhöhten Haftungsgefahren bei der Anwendung der BIM-Methodik“, vielmehr stelle sich die Rechtslage de facto dar wie in der analogen Bau- und Planungswelt. Dadurch, dass die Zusammenarbeit im Projekt jedoch interaktiv, kooperativ und digital ausgestaltet sei, könnten jedoch spezifische Haftungsfälle etwa im Zusammenhang mit der gemeinsamen Modellerstellung, Koordinierung der Fachmodelle oder der eingesetzten Software entstehen. Die Juristin rät: „Risiken bei der Anwendung der BIM-Methode kann der Einkauf durch die sorgfältige Auswahl von Projektbeteiligten, die genaue Zuteilung von Leistungsbereichen, klare Rollenmodelle und eine entsprechende Vertragsgestaltung minimieren.“

Nachhaltige Bewirtschaftung

Das Modeling hilft nicht nur beim Planen und Bauen, „sondern auch bei der Bewirtschaftung der errichteten Bauwerke“, betont Jan Tulke. Die standardisierten Daten zu den verbauten Anlagen und Bauteilen, die einen digitalen Zwilling der Liegenschaft entstehen lassen, können nach der Inbetriebnahme fortgeschrieben werden. „Damit ist es möglich, verschiedene Prozesse auf Betreiberseite, etwa das Prüf- und Wartungsmanagement oder das Risikomanagement, zu optimieren und zu automatisieren“, so der BIM-Experte von bauen-planen 4.0.

Was als virtuelles Modell mit einigen wenigen Datensätzen begann, macht über den gesamten Bestandszyklus eines Bauwerks die Beschaffungsprozesse einfacher, effektiver, transparenter und damit auch nachhaltiger.


Die Autorin: Anja Falkenstein,

Rechtsanwältin, Karlsruhe


Building Information Modeling

Building Information Modeling (BIM) beschreibt eine digitale Arbeitsmethode für die vernetzte Planung, den Bau und die Bewirtschaftung von Gebäuden. Dabei werden alle relevanten Bauwerksdaten modelliert, kombiniert und erfasst. BIM findet Anwendung in der Bauplanung, Bauausführung und im Facility Management. Die Vorteile: Minimierung von Fehlern, Reduzierung von Verschwendung, Verbesserung der Nachhaltigkeit und Steigerung der Effizienz bei Bauprojekten.


Serie Einkaufsrecht

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