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Einkauf als Enabler für Corporate Learning

Corporate Learning
Einkauf als Enabler für Corporate Learning

Die Transformation der Wirtschaft hin zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit lässt den Bedarf an Weiterbildung in den Unternehmen stetig wachsen. Nicht nur die Beschaffungsseite, sondern auch der Gesetzgeber kümmert sich um entsprechende Angebote.

Die wenigsten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind von ihrer Ausbildung her auf das vorbereitet, was man ihnen jetzt schon und in Zukunft abverlangt: den digitalen Wandel in der Wirtschaft im Einklang mit nachhaltigem Handeln zu vollziehen. Ausgerechnet bei denjenigen, die die Transformation federführend vorantreiben sollten, den EDV-Spezialisten, ist der Fachkräftemangel besonders groß. „Derzeit fehlen in Deutschland allein 137.000 IT-Expertinnen und -Experten quer durch alle Branchen“, sagt Leah Schrimpf vom Digitalverband Bitkom. „Der IT-Fachkräftemangel ist eine der größten Gefahren für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft.“

Corporate Learning als Aufgabe des Einkaufs

Wo keine Experten vorhanden sind, müssen welche herangezogen werden, mittels Aus- und Weiterbildung. „Die anstehenden Transformationsaufgaben werden immer wieder neue Kompetenzen und Berufsbilder entstehen lassen, für die eine niedrigschwellige Qualifizierung selbstverständlich sein muss“, sagt Bitkom-Referentin Schrimpf. Der Bedarf an Schulungen steigt dadurch zwangsläufig an, der Einkauf von betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen wird zur Key Task für die Beschaffungsseite, die sich auch mit digitalen Angeboten wie E-Learning-Plattformen, virtuellen Klassenzimmer und mobilen Apps beschäftigen muss. Die Aufgabe lautet, effiziente und flexible Lernmöglichkeiten für die Mitarbeitenden anzubieten, unabhängig von deren Standort.

Corporate Learning stellt sich als unternehmensweite Herausforderung dar. Beim Suchen, Prüfen und Buchen von Schulungsmaßnahmen ist eine enge Zusammenarbeit des Einkaufs mit den Fachabteilungen und der Personalabteilung erforderlich. Hier können smarte Lösungen helfen, die die Bedarfe bündeln, die Angebote vergleichbar machen und die Buchungsprozesse automatisieren.

Gesetzgeberisches Maßnahmenpaket

Helfen will auch der Gesetzgeber. Das deutsche Arbeitsrecht normiert weder eine Pflicht des Arbeitgebers, den Mitarbeitenden Weiterbildungsmaßnahmen anzubieten, noch eine ausdrückliche Pflicht der Mitarbeitenden, entsprechende Angebote anzunehmen. Doch die Regierungskoalition hat eine Reihe von Anreizen geschaffen, um das Lernen und Weiterbilden auf betrieblicher Ebene möglichst attraktiv zu machen.

„Mit dem neuen Weiterbildungsgesetz hat die Politik die Möglichkeiten der Arbeitsagenturen, die berufliche Weiterbildung von Beschäftigten zu fördern, ausgeweitet“, erklärt Dr. Oliver Heikaus. Der Leiter des Bereichs „Weiterbildung“ bei der deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) lobt die im neuen Gesetz angelegten Ansätze zur Entbürokratisierung der Arbeitsförderung, etwa durch feste Fördersätze und weniger Förderkombinationen. Er mahnt aber auch an, die Belange kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) stärker zu berücksichtigen. „Gerade KMU tun sich häufig schwer, die Förderangebote der Arbeitsagenturen in Anspruch zu nehmen, deshalb muss der betriebliche Zugang zu den einzelnen Programmen so leicht und unbürokratisch wie möglich gestaltet sein“, fordert Heikaus. „Die Mindestzahl von 120 Stunden für eine zu fördernde Maßnahme etwa erweist sich in der Praxis häufig als Hemmschuh und sollte auf 60 Stunden abgesenkt werden.“

Gestaltungsmöglichkeiten im Betrieb

Auch vom neu eingeführten Instrument des Qualifizierungsgelds dürften eher größere Unternehmen profitieren. Denn es ist grundsätzlich – mit einer Ausnahmeregelung für Kleinstbetriebe – an das Vorliegen einer Betriebsvereinbarung oder eines betriebsbezogenen Tarifvertrages gekoppelt, der den Qualifizierungsbedarf genau darlegt. „Damit dürften viele KMU und deren Beschäftigte von diesem Förderinstrument von vorneherein ausgeschlossen sein“, konstatiert Heikaus.

Andere Maßnahmen, etwa das Qualifizierungschancengesetz oder das Beschäftigungssicherungsgesetz, entstanden noch unter dem Eindruck der Corona-Pandemie und müssten dringend an die aktuellen Bedürfnisse angepasst werden, findet Dr. Tobias Afsali, Personalleiter „Operations“ der Dräxlmaier Group, eines großen Automobilzulieferers. „Weniger Fokus auf Betriebsgröße oder gesellschaftsrechtliche Struktur und mehr Freiraum für eine flächendeckende Förderung der Beschäftigten im Hinblick auf neue IT-Systeme, Tools zur Datenanalyse oder Programmiersprachen“, wünscht sich der Personalmanager, „gerade auch für Nicht-IT-Fachleute“.

Da Schulungen und Fortbildungen enorme Kosten verursachen, sollten die Eckpunkte der Maßnahmen schriftlich festgehalten werden, etwa in individuellen Zusatzvereinbarungen mit den Mitarbeitenden zu ihren jeweiligen Arbeitsverträgen. „In Unternehmen mit Arbeitnehmervertretung können auch freiwillige Betriebsvereinbarungen die Art, den Umfang und den Teilnehmerkreis von bestimmten Weiterbildungsmaßnahmen regeln“, erläutert Jurist Afsali. Im Idealfall sei der Betriebsrat Partner der Transformation und Vermittler zwischen manch berechtigten Sorgen der Belegschaft und wirtschaftlich notwendigen, strategischen Entscheidungen des Unternehmens. Afsali weiß aus Erfahrung: „Je mehr der Sinn hinter einer Qualifizierung verstanden wird und je besser man die Belegschaft abholt, desto weniger muss man vom Direktionsrecht Gebrauch machen, um Weiterbildungen anzuordnen.“

Kosten für die Maßnahmen

Obwohl kein Gesetzesparagraf die Pflicht zur Weiterbildung festschreibt, kann man nach höchstrichterlicher Rechtsprechung von Mitarbeitenden erwarten, dass sie sich im Rahmen des Zumutbaren weiterbilden. Wer die Gelegenheit nutzt und sich mittels einer Qualifizierungsmaßnahme seines Arbeitgebers für einen zukunftsfähigen Job ausbilden lässt, profitiert auch persönlich. Die Frage nach der Beteiligung an den Kosten steht damit im Raum. Personalleiter Afsali nennt folgende Faustformel: Je mehr die Weiterbildung dem Arbeitnehmer zugutekommt und seinen Wert am Arbeitsmarkt steigert, desto eher muss er sich an den Kosten beteiligen. „Hier ist in der betrieblichen Praxis viel Platz für pragmatische Lösungen, die die beiderseitigen Interessen berücksichtigen“, lautet seine Empfehlung.

Corporate Learning als Wettbewerbsvorteil

Wer ein vielfältiges Corporate-Learning-Angebot aufweist, begegnet nicht nur dem hohen Transformationsdruck, sondern macht sich auch als Arbeitgeber attraktiv. Es dient der Mitarbeiterbindung und -motivation und sollte deshalb auch im Einkauf nicht nur ein Nischendasein führen. Frei nach dem – wahren, aber abgedroschenen – Motto: „Den Change als Chance verstehen.“


Die Autorin: Anja Falkenstein,

Rechtsanwältin, Karlsruhe


Weiterbildungsbedarf steigt

Dass die Notwendigkeit der weiteren Qualifizierung in den Führungsetagen angekommen ist und von dort an die HR- und Einkaufsabteilungen delegiert wird, bestätigt auch die aktuelle Weiterbildungsstudie 2022 der Bitkom Akademie. Demnach steht immer mehr Berufstätigen überhaupt ein definiertes Weiterbildungsbudget zur Verfügung: Der Anteil stieg von 57 Prozent in 2021 auf 71 Prozent in 2022. Das durchschnittliche Jahresbudget pro Kopf wuchs 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent, immer auf die IT-Branche bezogen. Zudem spielt das Corporate Learning, also das Weiterbildungsangebot eines Unternehmens, für 84 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der IT eine ausschlaggebende Rolle bei der Entscheidung für einen bestimmten Arbeitgeber.


Recht im Einkauf

Die Serie „Rechtsprechung für die Beschaffung“ behandelt juristische Probleme rund um den Einkauf. Sie schafft ein Verständnis für den aktuellen Stand der Rechtsprechung, ersetzt aber nicht die anwaltliche Beratung im Einzelfall.


Serie Einkaufsrecht

RA Anja Falkenstein stellt aktuelle und einkaufsrelevante Rechtsthemen vor.

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