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Dienstleistungen: Einkauf von Facility Services

Einkauf von Facility Services
Gebäudereiniger putzen die Platte

Gebäudereiniger putzen die Platte
Ein gutes Gebäudemanagement steht mit seinem Dienstleister in einem ständigen Austausch und weiß genau einzuschätzen, welches Qualitätslevel es erwarten kann. Bild: mtrlin/stock.adobe.com
Gebäudereinigungen erhalten schlechte Noten: schmierige Schreibtische, Staub in den Ecken und immer häufiger wird gar nicht geputzt – weil das Personal davongelaufen ist. Auftraggeber tragen an der Misere eine gehörige Portion Mitschuld: Pures Cost-Cutting beim Dienstleistungseinkauf geht zulasten von Quantität und Qualität.

Manfred Godek, Journalist

Man mache alles „blitzblank“, heißt es in der Werbung. In vielen Fällen müsste es „blitzschnell“ heißen. Ein Zeitlimit von 30 Sekunden, um einen Büroraum sauber zu machen, oder von drei Minuten für ein Krankenzimmer inklusive Nasszelle – das ist schon eine Leistung. „Da können wir natürlich nicht mithalten“, sagt Marc-André Eickholz, Geschäftsführer der auf infrastrukturelles und technisches Facility-Management spezialisierten Niederberger Gruppe mit zwölf Niederlassungen in Deutschland. Solche Zahlen erklärten allerdings, warum Gebäudemanager mit der Leistung von Reinigungsfirmen zunehmend unzufrieden seien und mit Einkäufern in Konflikt gerieten, die ihnen solche Service-Pakete aufs Auge drückten. Dabei sei es gar nicht so schwer, Kosten zu reduzieren – wenn man systematisch an die Aufgabe herangehe.

Davon sind viele Auftraggeber aber weit entfernt. Der Kostendruck ist gewaltig. Umso verlockender sind Angebote von Beratungsfirmen, die ihre Honorare nach den durch die Ausschreibungen erzielten Einsparungen bemessen. Das Land Berlin ist bei der Vergabe von Reinigungsarbeiten in Schulen schlagzeilenträchtig darauf hereingefallen. Dies habe „zur Maximierung der Einsparungen mit dem Ergebnis sinkender Dienstleistungsqualität geführt“, so der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks. Dass solch strategische Kurzsichtigkeit kein Privileg der öffentlichen Hand ist, weiß Holger Knuf, Geschäftsführer des i2fm – Internationales Institut für Facility Management. Auch Einkaufsabteilungen in Industrie und Handel leisteten dem Übel Vorschub.

An der Fachabteilung vorbei

Beraterseitig empfohlene „Servicebroker“, die sich zwischen Auftraggeber und weitere Dienstleister schieben, versprächen Skaleneffekte durch Großbündelungen von 20 Prozent und mehr. Knuf: „Viele glauben dem Märchen tatsächlich. Das ist hochgradiger Unsinn, denn das geht zulasten der Mitarbeiter und führt zu erheblichen Problemen.“ Gleiches gelte für sogenannte „ergebnisorientierte Dienstleistungsverträge“. Es werden keine detaillierten Leistungsgerüste definiert, sondern lediglich die gewünschten Ergebnisse wie „sauber“. Aber was heißt das genau? „Der Begriff sauber wird unterschiedlich interpretiert. Die Kosten der Reinigung zu reduzieren, geht immer wieder auf Kosten der Reinigung“, ergänzt Ulrike Laux vom Bundesvorstand der IG Bauen-Agrar-Umwelt. Knuf: „Viele haben keine Ahnung von Dienstleistungen und ihrer Erbringung, sind aber felsenfest davon überzeugt, Kalkulationen einschätzen und drücken zu können.“ Bei Material und Halbzeugen würden sie sich nicht trauen, von geltenden Normen abzuweichen. Bei der ISO 9001 (Qualitätsmanagement-System) der DIN EN 13549 (Erhalt der baulichen Substanz), der ÖNORM D 2050 (Leistungskennzahlen) oder der RAL GZ-902 (Qualität und Tariftreue) geschieht dies täglich.

Einkäufer sollten also nicht an der Fachteilung und deren Expertise vorbei agieren. Eickholz: „Denn egal, um welche Vertragsform es sich handelt: Ein gutes Gebäudemanagement steht mit seinem Dienstleister in einem ständigen Austausch und weiß genau einzuschätzen, welches Qualitätslevel es für seine Vergabe erwarten kann.“ Die Prämisse „Gleiche Leistung für noch weniger Geld“ rächt sich inzwischen auch auf andere Weise. Den Gebäudereinigern geht das Personal aus. Die Leute arbeiten am Limit und werden regelmäßig angepampt, weil das Ergebnis verständlicherweise – siehe oben – nicht „blitzblank“ ist. Viele von ihnen kündigen, andere machen einen großen Bogen um die Branche. Die Zahl der Auszubildenden im Beruf des Gebäudereinigers sinkt seit 2019 kontinuierlich. Dem gegenüber steht ein Anstieg der Nachfrage nach Reinigungsdienstleistungen.

Wenn aber, wie bei Gebäudeservices der Fall, der Personalanteil an der Wertschöpfung bei rund 95 Prozent liegt, gibt es nur zwei Möglichkeiten, mehr Umsatz zu generieren: Das vorhandene Personal muss in der gleichen Arbeitszeit noch mehr putzen. Oder es werden keine Mindestlöhne gezahlt oder Arbeitszeitregeln nicht eingehalten.

„Häufig sind es gar keine regulären Handwerksbetriebe, aber der Ruf färbt auf alle ab“, so Eickholz, der inzwischen bezahlte Praktika anbietet, um junge Leute von der Attraktivität eines Arbeitsplatzes in seiner Firma zu überzeugen, via Facebook Azubis sucht und bereits in der untersten Lohngruppe über dem gesetzlichen Mindestlohn bezahlt.

Die Betreiberverantwortung erlegt es Auftraggebern auf, sich nicht nur um den Preis, sondern auch um die Qualität der Arbeit zu kümmern. Aber schon in puncto Betriebs- und Mitarbeiterführung könnte das Leistungsgefälle in der Branche größer nicht sein, sagt Experte Knuf. Auch in den Prozessen gebe es „eine Menge Luft nach oben“. Zudem sei ein offener und vertrauensvoller Umgang – auch mit „Mindestlöhnern“ – sei essenziell. Diesbezüglich müssten sich viele Auftraggeber an die eigene Nase fassen.

Sparen mit System

Es bestehe die Chance, durch intelligente Servicekonzepte Kosten zu reduzieren beziehungsweise höhere Stundenpreise zu kompensieren und damit zugleich dem Personalmangel Rechnung zu tragen. „Deutlich mehr Menschen wären an einer Tätigkeit im Gebäudereiniger-Handwerk interessiert, wenn verstärkt zusammenhängende Arbeitszeiten am Tag möglich wären“, sagt Thomas Dietrich, Bundesinnungsmeister des Gebäudereiniger-Handwerks.

Die sukzessive Verlagerung bestimmter Tätigkeiten von den Nacht- in mitarbeiterfreundliche Randzeiten können ein Einstieg in das Konzept Tagreinigung sein, so Marc-André Eickholz. Dies habe einen doppelten Effekt. Es komme vielen Mitarbeitern entgegen und spare zugleich Nachtzuschläge. „Eine reine Tagreinigung ist für uns zwar keine Option. Was wir jedoch nutzen, sind die Randzeiten bis acht und ab 16 Uhr, in welchen noch nicht viele Mitarbeitende in den Büros sind“, so Andrè Henrichs, Hauptabteilungsleiter Zentrale Dienste der ARAG SE. Es sind bisher noch wenige Unternehmen, in denen wie bei der ARAG ein Umdenken in der Bewertung von Gebäudedienstleistungen stattfindet. Als Auftraggeber könne man beispielsweise das Arbeitsumfeld der Reinigungsdienstleister positiv beeinflussen, indem man sie bei der Neueinrichtung und bei Umbauten bei der Auswahl von Materialien und Oberflächen mit einbeziehe.

Eine praktikable Möglichkeit, mit Personalengpässen umzugehen, sei die vorübergehende Verlängerung von Service-Intervallen. Auf der Skala von gesetzlich vorgeschriebenen, für die Nutzung notwendigen und wünschenswerten Maßnahmen gebe es Möglichkeiten für eine vorübergehende Herabsetzung der Taktzahl. Beispielsweise sei es nicht erforderlich, auf jedem Aktenschrank im Wochenrhythmus Staub zu wischen, eine Feuchtreinigung von Schreibtischen dagegen zwingend. Dienstleister und Gebäudemanager müssten die Leistungsgerüste aber gemeinsam austarieren. Ansonsten könnte es passieren, dass der Gebäudereinigungsbranche langsam, aber sicher das Personal ausgeht. Und manchem eigenen Mitarbeiter womöglich die Puste, wenn er selbst zu Putztuch und Staubsauger greifen muss.

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