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Gute Bedingungen am Bosporus

Logistikstandort Türkei
Gute Bedingungen am Bosporus

Die durch Corona stark gestörten Lieferketten und der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, sind zwei Faktoren, warum viele weltweit produzierende Unternehmen intensiv über ihre künftigen Produktionsstandorte und Logistikrouten nachdenken. Wir waren Ende vergangenen Jahres in der Türkei und geben hier einen Überblick über die logistischen Potenziale der Türkei.

Alexander Gölz, Chefredakteur Beschaffung aktuell

Laut einer Umfrage des Immobilienunternehmens Jones Lang LaSalle gehört die Türkei zur Spitze der „kommenden Logistikmärkte“ in den nächsten fünf Jahren. Für mehr als ein Viertel der befragten Supply-Chain-Manager in Europa zählt das Land demnach zu den Top 3 der neu entstehenden Logistikstandorte der Region EMEA (Europa, Naher Osten und Afrika).

Polen und Rumänien wurden der Studie zufolge als Einzelmärkte ebenfalls häufig genannt, dem osteuropäischen sowie dem afrikanischen Raum als Gesamtregionen werde ein starkes Potenzial zugebilligt. Die befragten Supply-Chain-Manager nannten geografische Lage (83 Prozent), wirtschaftliches Wachstum (81 Prozent) und politische Stabilität (68 Prozent) als die drei wichtigsten Eigenschaften eines neu entstehenden Logistikstandortes. Die Türkei biete alle notwendigen Voraussetzungen, um sich als Logistikstandort zu etablieren, sagt Alexandra Tornow, Leiterin Industrial & Logistik Research Jones Lang LaSalle EMEA, über die Hintergründe. Die Wirtschaft wachse aufgrund stabiler politischer Rahmenbedingungen stark, das Land habe ein großes Reservoir an zunehmend gut ausgebildeten Arbeitskräften und verbuche steigende inländische Verbraucherausgaben und Direktinvestitionen aus dem Ausland. Der türkische Logistikmarkt wird Jones Lang LaSalle zufolge derzeit noch von lokalen Playern und kleinen Familienbetrieben dominiert. Obwohl die Verfügbarkeit moderner Logistikflächen in den letzten Jahren stark zugelegt habe, sei der Anteil der auf dem Markt befindlichen „1A-Bestandsflächen“ nach wie vor relativ gering und halte damit auch die internationalen Investitionen in Grenzen. Allerdings wandle sich die gesamte Logistikbranche in der Türkei in hohem Tempo.

Die geografische Lage der Türkei in Verbindung mit den hohen Investitionen in die Infrastruktur unterstreichen laut Avi Alka, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung bei Jones Lang LaSalle in der Türkei, „das außergewöhnliches Potenzial“ des Landes als internationaler Knotenpunkt. „In der Türkei und insbesondere in der Region Istanbul siedeln sich zunehmend Firmen aus dem Textil- und E-Commerce-Bereich an, um hier zu produzieren“, beobachtet Mustafa Tonguc, CEO der DHL-Express-Tochter in der Türkei. So seien Lagerstandorte von zwei großen chinesischen E-Commerce-Anbietern bereits in der Aufbauphase; ihre Inbetriebnahme ist für das erste Quartal diesen Jahres geplant. Laut Tonguc ist die positive Entwicklung des Industrie- und Logistikstandorts Türkei bereits hautnah erlebbar.

Mittlerer Korridor wird wichtig

Doch welchen wirtschaftlichen Reiz bietet die Türkei? Burak Daglioglu, Präsident der Investitionsagentur der Türkei zählt folgendes als Antwort auf: „Eine in den vergangenen Jahren gestiegene Wirtschaftskraft, wachsender Außenhandel, eine strategisch günstige Lage zwischen Asien und Europa, ein wirtschaftsfreundliches Umfeld, eine junge, gut ausgebildete Bevölkerung und lukrative Förderungen.“ Neben der günstigen Lage seien speziell die jungen Fachkräfte und Talente ein wichtiger Standortfaktor, betont Tonguc. „Allein in den vergangenen drei Jahren sind 20 unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in andere DHL-Niederlassungen weltweit gewechselt“, erzählt er stolz.

Das internationale Transport- und Logistikunternehmen Gebrüder Weiss stellt sich ebenfalls auf die wachsende Attraktivität der Türkei für europäische Im- und Exporteure mit mehr Fachleuten und Verkehrsverbindungen ein. Kernpunkt dabei sind unter anderem Transporte zwischen der Türkei und dem wichtigen Handelspartner Deutschland sowie den Benelux-Staaten. „Die Transportnachfrage auf der Route des Mittleren Korridors steigt kontinuierlich. Durch das erhöhte Transitaufkommen gewinnt die Türkei als zentrale Logistikdrehscheibe zwischen Europa und Asien weiter an Bedeutung“, erklärt Thomas Moser, Direktor und Regionalleiter Black Sea/CIS bei Gebrüder Weiss. Der Mittlere Korridor führt von Europa durch die Türkei, Georgien, Aserbaidschan und Kasachstan bis nach China und bietet damit eine Alternativroute zum Nördlichen Korridor, der durch Russland verläuft. „Dank der vollständig integrierten Zusatzkapazitäten von 3S Transport & Logistik sind wir auf diese Entwicklung gut vorbereitet“, sagt Moser. Neben dem Standort in Istanbul wurde auch der 3S-Standort bei Düsseldorf in die Gebrüder Weiss-Organisation integriert. Er fungiert als Kompetenzcenter für Transporte zwischen der Türkei und Deutschland sowie den Benelux-Staaten.

Attraktivität der Schiene erhöhen

Die Logistik spielt eine entscheidende Rolle für die Attraktivität des Standorts. „Wir wollen die Türkei zu einem regionalen Logistikhub machen, das sowohl für nationale, internationale und Transitladung von Bedeutung ist“, sagt Standortvermarkter Daglioglu. Dazu investiert das Land seit Jahren mächtig in die Infrastruktur, unterstreicht der stellvertretende Verkehrs- und Infrastrukturminister Enver Iskurt. Ob Fernstraßen, Schienenwege, See- und Flughäfen – 184 Milliarden US-Dollar seien in den vergangenen 20 Jahren investiert worden. Der im April 2022 verabschiedete und bis 2053 datierte „Masterplan Mobilität und Digitalisierung“ sieht hier eine Fortsetzung vor. „Wir wollen die Türkei zu einem internationalen Zentrum für Verkehr und Logistik machen, das umweltorientierte, kosteneffiziente und nachhaltige Mobilität zwischen den Regionen, multimodalen Transport, Produktion und exportorientiertes Wirtschaftswachstum unterstützt“, erläutert Iskurt.

Dabei will die türkische Regierung vor allem die Schiene stärken. Ein Beispiel: Über die bisher nur für den Straßenverkehr ausgelegte neue dritte Bosporus-Brücke ist mittelfristig auch Eisenbahnverkehr vorgesehen. Das auf mindestens 6,8 Milliarden Dollar veranschlagte Vorhaben soll in diesem Jahr ausgeschrieben werden. Die ersten Züge könnten 2028 über die Brücke rollen, sagt Iskurt. Neben den Infrastrukturvorhaben will er die Attraktivität der Schiene durch finanzielle Anreize erhöhen. Ihr Anteil am Modal Split im Güterverkehr soll im Zeitraum bis 2053 von derzeit 5 auf 23 Prozent steigen; der der Straße solle gleichzeitig von rund 71 auf 57 Prozent sinken – bei einem Anstieg des jährlichen Güterverkehrs von aktuell 55 auf 448 Millionen Tonnen. 

„Umzug“ von Turkish Airlines zum neuen Istanbuler Flughafen

Turkish Airlines hat ihren Umzug vom Atatürk-Flughafen, der 86 Jahre lang ihr Zuhause war, am Wochenende des 5. und 6. April 2019 mit Hilfe einer Flotte der Spedition Arkas Lojistik abgeschlossen. Der Logistik-Spezialist hat die 10.000 Teile der Bodenabfertigungsausrüstung von Turkish Airlines transportiert. 800 Mitarbeiter haben den Umzug in einer Rekordzeit von 33 Stunden abgeschlossen – 13 Stunden früher als geplant. In dieser Zeit wurde die gesamte Ausrüstung der Fluggesellschaft, die einem Volumen von 33 Fußballfeldern entspricht, einschließlich der Flugzeugschlepper mit einem Gewicht von 44 Tonnen, umgezogen. „Unser Projekt für den Transport von Turkish Airlines zum Istanbuler Flughafen ist ein wichtiges Beispiel dafür, wie wir etwas bewirken. Bei diesem Umzug, bei dem Geschwindigkeit und Sicherheit Vorrang hatten, setzten wir spezielle Tracking-Systeme, Verkehrskontrollräume, Fahrzeugfahrer-Tracking-Systeme, Online-Ladungsbewegungen, Barcode-Systeme, Spezialausrüstung und spezielle Projektschulungen ein“, erklärt Arkas-CEO Onur Göçmez.

Auch die Position im Luftverkehr soll ausgebaut werden. Hier hat Turkish Airlines die Fracht im Fokus, erklärt CEO Ahmet Bolat. Die Kapazität soll durch eine größere Frachterflotte ausgebaut werden. Geplant ist, diese innerhalb der kommenden zehn Jahre von heute 20 auf 50 Maschinen zu vergrößern.

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