Die Mitarbeiter im Einkauf kennen dieses Szenario: Sie brauchen eine schnelle Auswertung, aber bis der zuständige Datenanalyst einen Bericht erstellt hat, braucht es Geduld, dann sind die Daten oft bereits veraltet oder unvollständig und bedürfen Nachfolgefragen. Wenn die Berichte aber keine aktuellen Daten enthalten, sind sie für die Szenario-Planung oder eine optimale Entscheidungsfindung unzureichend.
Dass die Datenermittlung so viel Zeit in Anspruch nimmt, ist für Warengruppenverantwortliche, die auf die Informationen angewiesen sind, unverständlich. Sollte das System nicht in der Lage sein, grundlegende Informationen schnell und einfach zur Verfügung zu stellen? Doch genau dies ist insbesondere bei Großunternehmen oftmals eben nicht der Fall.
Dort stammen viele Lieferantenverträge und die damit zusammenhängenden Daten aus Fusionen und Übernahmen, im Laufe der Zeit wurden sie auch nie richtig integriert. Die Informationen liegen dann in mehreren, oft inkompatiblen Systemen mit unterschiedlichen Strukturen und inkonsistenten Bezeichnungen vor. Mitarbeiter kommen und gehen. Systeme kommen und gehen. Dadurch wird die Datenermittlung komplex und langwierig.
Ironischerweise werden die Mitarbeiter für die Untersuchung genau jener verdeckten Fragmentierung von Systemen und Daten bezahlt, die zu dieser Ineffizienz und zu überhöhten Kosten geführt haben. Und es sind die Auswirkungen derselben, die es so schwer machen, Antworten zu finden und bessere Verträge auszuhandeln. Die meisten Unternehmen beschäftigen nur wenige Experten, die über die notwendigen Fachkenntnisse verfügen, Daten zu aggregieren, Informationen zu extrahieren und Berichte zu erstellen. Und diese bedienen nicht nur das Procurement, sondern sie müssen unternehmensweit Berichte bereitstellen.
Beispiel: Einkauf eines Ölkonzerns
Je komplexer die Datenanfragen und je mehr Fragen sie nach sich ziehen, desto schwieriger wird es, schnelle Antworten zu erhalten. Das Einkaufsteam eines großen Ölkonzerns hat eine Liste von 55 Fragen zusammengestellt, bei denen es Schwierigkeiten hatte, schnelle Antworten zu erhalten. Dazu zählten unter anderem folgende Fragen, die auch anderen Branchen sicherlich bekannt vorkommen:
- Nutzen wir unsere logistischen Ressourcen angemessen?
- Wie ist die aktuelle und historische Zeit- und Kapazitätsauslastung für unsere Schiffe, Flugzeuge, Lastwagen und Eisenbahnwaggons?
- Was sind die Trends?
- Sind unsere Anlagen dann verfügbar, wenn wir sie laut Vertrag benötigen?
Schnelle Antworten dank KI und Search
Wäre es nicht schön, wenn man diese Fragen in Umgangssprache in eine Suchmaschine eingeben könnte und sofort Antworten erhielt? Oder man stelle sich vor, dass man während einer Verhandlung mit einem Lieferanten schnell aufrufen könne, wie viel Budget im letzten Quartal im Vergleich zu anderen Zulieferern ausgegeben wurde.
Es klingt zwar futuristisch, aber die technologischen Möglichkeiten, schnelle Antworten zu erhalten und das Procurement effektiver zu gestalten, gibt es bereits. KI und Search-basierte Analytics ermöglichen den Nutzern, wie in einer Google-Suche jede datenbezogene Frage in eine Suchleiste einzugeben. Die Lösung generiert die Antworten sofort und stellt diese je nach Art der Daten in der passendsten Visualisierung dar. Dazu analysiert eine relationale Search-Engine deterministisch jede Abfrage und berechnet die Antwort. KI-Algorithmen helfen dabei, Anomalien und Ausreißer aufzudecken, die Beziehungen zwischen Messwerten zu identifizieren und Auf- oder Abwärtstrends in ungenauen Daten zu finden. Sie können sogar eine vollständige Datenreihe analysieren oder die Unterschiede zwischen zwei Datenpunkten im Detail klären.
Ein anderes internationales Unternehmen der Ölindustrie mit Niederlassungen in mehr als 120 Ländern profitiert schon heute von diesen Technologien. Nach mehreren Fusionen und Übernahmen betrieb das Unternehmen 20 ERP-Systeme und verfügte mit mehr als 220 Mio. Datensätzen über eine riesige Datenmenge. Diese Größenordnung und Komplexität machten es dem Procurement-Team unmöglich, schnell genug Erkenntnisse zu gewinnen, um optimale, profitable Entscheidungen zu treffen.
Heute nutzen dort 250 Einkaufsmitarbeiter in 38 Ländern Search und KI-gesteuerte Analysen, um Antworten auf 20.000 Ad-hoc-Fragen monatlich zu erhalten. Das sind durchschnittlich 80 Fragen pro Mitarbeiter im Monat – ein Volumen, das früher völlig undenkbar gewesen wäre.
Die Technologie liefert unzählige Einblicke. So konnte das Team Engpässe erkennen, die beim Hochfahren der Ölförderung am Jahresanfang zu Kapazitätsproblemen geführt haben. Auch vorher nicht sichtbare Anlagenprobleme wurden aufgedeckt, sodass der Herstellungsprozess optimiert und die richtige Menge an Lagerbeständen produziert werden konnte. Das Team erhielt auch Antworten zu den Auswirkungen externer Marktfaktoren, wie zum Beispiel Trumps Strafzölle auf Stahl, die die Ölförderkosten beeinflussen, da Stahl für die Entwicklung von Rohren, Ventilen und Fittings verwendet wird.
Die Zeitersparnis durch das System entspricht in etwa der von elf Vollzeitbeschäftigten. Dadurch können sich die Mitarbeiter auf schwierigere und anspruchsvollere Projekte konzentrieren, wie zum Beispiel die Minderung des Lieferkettenrisikos im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat kürzlich ihre Wachstumsprognose für Öl auf den niedrigsten Stand seit 2011 gesenkt. Dies bedeutet, dass Einkauf und Lieferkettenbetrieb gemeinsam planen müssen, wobei verlässliche, zeitnahe Informationen genutzt werden müssen, um die besten Entscheidungen für das Unternehmen zu treffen.
Auswirkungen externer Marktfaktoren
Während Search den Procurement-Mitarbeitern eine einfache Nutzererfahrung und schnelle Antworten bietet, hebt KI wichtige Trends und Ausreißer hervor. Die Fähigkeit der KI, sich durch riesige Datensätze zu wühlen und zum Beispiel Muster in historischer Daten zu erkennen, macht es möglich, die Prognosegenauigkeit zu verbessern. So konnte der Ölkonzern unnötige Ausgaben erkennen und reduzieren. Die Fähigkeit der KI, Ausreißer zu erkennen, hilft dabei, gezielt jene Regionen ausfindig zu machen, in denen beispielsweise die Nachfrage deutlich zurückgegangen ist. Ob es sich um routinemäßige Ermittlung von Lieferantenkosten, Handelszölle oder das Coronavirus handelt, Unternehmen müssen heute in der Lage sein, schnell und optimal auf alles zu reagieren. Mit KI und Search erhalten Unternehmen in nur wenigen Sekunden jene Antworten, derer es bedarf, um in unseren ungewissen Zeiten die Risiken zu minimieren.
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Der Autor
Michael Krause, Diplom-Informatiker, Customer Success Manager bei ThoughtSpot