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Fuhrpark-Einkauf: Limits lösen keine Probleme

Fuhrpark-Einkauf
Limits lösen keine Probleme

Die Pandemie hat den Einkauf vor ungeahnte Probleme gestellt. Es mangelt an Fahrzeugen und die Kosten steigen massiv. Verantwortlich sind nicht nur fehlende Halbleiter, sondern auch ungünstige Leasingverträge. Gibt es Alternativen?

Manfred Godek, PR-Berater und Journalist

Die Pandemie hat es gegeben, nun droht sie es wieder zu nehmen: den Paketdiensten das gute Geschäft. Noch Ende 2021 freute sich die Branche über einen „durchweg anhaltenden Boom“. Nun mangelt es ausgerechnet Corona-bedingt an den wichtigsten Betriebsmitteln: an Fahrzeugen. Rund 135.000 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge bringen allein die Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes der Kurier-Express-Dienste (BdKEP) auf die Straße. Davon wird bei Auslaufen der Leasingverträge jährlich ungefähr ein Drittel ausgetauscht. Aufgrund der Produktionsengpässe in der Automobilindustrie fehlt auf absehbare Zeit der Ersatz. „Schon heute steigen die Lieferzeiten auf bis zu zehn oder mehr Monate. Die Anzahl an vorrätigen Lagerfahrzeugen ist bei Händlern um 90 Prozent und mehr gesunken“, berichtet der BdKEP-Vorsitzende Andreas Schumann aus der jüngsten Mitgliederbefragung. Ein solcher Verkäufermarkt ist für professionelle Einkäufer die schlechteste aller denkbaren Voraussetzungen. Sie sitzen am kürzeren Hebel und müssen einiges einstecken. Nicht nur, dass die Preise für Neu- und Gebrauchtwagen zu Jahresbeginn einen nie dagewesenen Höchststand erreichten. Es zeichnet sich laut Schumann ab, dass Fahrzeuge bevorzugt an die profitabelsten Kunden veräußert werden. „In dieser Situation zeigen sich einmal mehr die Vorteile einer strategischen Einkaufsbündelung. In welcher Form auch immer sie stattfindet: Am besten ist sie hersteller- und bankenunabhängig“, so Majk Strika, Geschäftsführer von Holman in Deutschland (ARI Fleet), einem weltweiten Spezialisten für automobile Dienstleistungen.

Schweigen ist Gold

Viele Leasinggeber gestatten ihren Kunden großzügigerweise, Fahrzeuge nach Auslaufen der Verträge weiterzufahren. Die „stillschweigende Verlängerung“ ist eine langjährig geübte Praxis. Sie basiert auf Paragraf 545 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, in dem es heißt: „Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fort, so verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt.“ So lässt sich die schwierige Situation zwar auf bequeme Art lösen. Doch das Stillschweigen ist Gold – für den Leasinggeber. Die Leasingrate fließt in gleicher Höhe weiter, obwohl das Fahrzeug im Laufe der Jahre an Wert verloren hat, die Rate deshalb niedriger ausfallen müsste und die Abnutzung um ein Vielfaches geringer ist. Der Kunde zahlt für den Wert eines Neufahrzeugs, bei dem es sich tatsächlich um ein „Gebrauchten“, womöglich mit 120.000 Kilometern auf dem Tacho und allerlei Gebrauchsschäden handelt. Für die wird er, wenn er das Fahrzeug endlich zurückgeben kann, dann noch einmal zur Kasse gebeten. Zurzeit besteht allerdings das Risiko, dass sich der Leasinggeber auf eine stillschweigende Verlängerung gar nicht einlässt und das Fahrzeug einzieht, um es auf den brummenden Gebrauchtwagenmarkt zu werfen. Oder aber er fordert eine höhere Rate. Schumann: „Es zeichnet sich ab, dass die Steigerungen 100 Prozent betragen könnten.“

Weniger fahren, mehr zahlen

Was auch immer passiert: Es verschlechtert sich die wichtigste betriebswirtschaftliche Kennzahl im Fuhrpark: die Kosten pro Kilometer. Dies geschieht Corona-bedingt aber noch auf eine ganz andere Weise. Aufgrund der Lockdowns haben Dienstwagen viel weniger auf dem Tacho als vertraglich vereinbart. „Wir sehen sogar Fälle von 50.000 bis 100.000 Minderkilometer wenige Monate vor Vertragsende“, so Ilona Janssen, Senior-Partnerin der Beratungsgesellschaft für Kostenmanagement Expense Reduction Analysts. Minderkilometer werden bei der Endabrechnung erstattet. Allerdings ist es oft nur ein Drittel von dem, was für zu viel gefahrene Kilometer nachberechnet würde, wodurch sich das Ergebnis ebenfalls verschlechtert (siehe Kasten).

Ein Geschäftswagen ist dann am wirtschaftlichsten, wenn das vereinbarte Kilometerlimit voll ausgenutzt wird, und das war vor der Pandemie meistens der Fall. Deshalb drehten sich die Vertragsverhandlungen vor allem um die Finanzierungsrate. Für die Eventualitäten im Kleingedruckten hat sich dagegen kaum jemand interessiert. Dabei weisen Experten schon seit Langem darauf hin, dass der Wertverlust pro Mehrkilometer nicht in so starkem Maße vom Wertgewinn pro Minderkilometer abweiche. „Einen niedrigeren Satz sollten Sie gar nicht akzeptieren“, so der ADAC. Der Bundesverband Fuhrparkmanagement rät dazu, bei künftigen Verträgen die wesentlichen Aspekte kritisch zu hinterfragen.

Eine Rekalkulation vereinbaren

Wer sich für einen Kilometervertrag entscheidet, sollte in jedem Fall auf die Möglichkeit einer Rekalkulation bestehen. Dabei wird, wenn sich eine geringere Laufleistung abzeichnet, der Vertrag so geändert, als wäre er beispielsweise für 100.000 statt für 150.000 Kilometer abgeschlossen worden. Abzüglich einer Bearbeitungsgebühr wird die Erstattung auf die Raten der Restlaufzeit angerechnet. Einige Leasinggesellschaften bieten diese Möglichkeit an. „Flottenverträge müssen diesen Punkt aber klar und fair regeln; sonst fällt der Vorteil eher mager aus“, betont Kostenmanagerin Janssen. Bei einem Full-Service-Leasing könne man die Dienstleistungsanteile kündigen, falls der Vertrag dies zulasse. Ebenso sollte für den Fall, dass ein Fahrzeug länger gefahren wird als vereinbart, eine kundenfreundliche Regelung getroffen werden. Das systemische Ungleichgewicht zwischen Mehr- und Minderkilometern wird aber auch dadurch nicht beseitigt.

Alternativen beim Leasing

Dem Prinzip des Leasings, nur für das zu zahlen, was man tatsächlich nutzt, würden viele Kilometer- und Laufzeit-bezogene Leasingverträge nicht gerecht, so Majk Strika von Holman. Bei diesen auch als „geschlossen“ bezeichneten Verträgen basiere die Finanzierung auf kalkulatorischen Restwerten, verschiedenen Gebühren und festgelegten Limits. Diese Parameter sowie die davon abgeleiteten Mehr- und Minderkilometer-Sätze bilden weder den tatsächlichen Gebrauch noch das reale Marktgeschehen ab. Die Pandemie und der Effekt „Weniger fahren, mehr zahlen“ habe den Systemfehler deutlich vor Augen geführt. Ein geschlossener Vertrag sei sozusagen Top-down nach der maximalen Gewinnerwartung der Leasinggesellschaft kalkuliert. Und die treffe meistens ein, egal, in welchem Zustand man ein Fahrzeug am Ende der Laufzeit zurückgebe. Leasing werde fälschlicherweise mit dieser speziellen Variante gleichgesetzt. Dabei biete es noch ganz andere Möglichkeiten im Rahmen „offener“ Vertragsmodelle.

Flexibel agieren

Diese verbinden Elemente eines Leasings mit denen eines Kaufs. Der Leasingnehmer nutzt den PKW oder Transporter ohne Limits voll flexibel. Die Rate deckt ähnlich einem Darlehen den reinen Finanzierungsaufwand ab. Experte Strika: „Nach drei Monaten kann er den Vertrag jederzeit durch Ablösung der Restschuld kündigen. Das Fahrzeug gehört dann ihm. Er fährt es weiter oder verkauft es zu einem günstigen Zeitpunkt.“ Den richtigen Zeitpunkt für die Veräußerung abzupassen, kann lukrativ sein. Beispielsweise lag der Gebrauchtwagenpreis im November 2021 laut dem ADAC-Marktbericht um durchschnittlich 3.726,00 Euro beziehungsweise 10 Prozent über dem Vorjahresmonat. Bei einem klassischen Full-Service-Vertrag fließt der Vermarktungsgewinn allein der Leasinggesellschaft zu. Die Nachfrage nach Finanzierungsleasing-Modellen ist laut dem Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e. V. allein im Jahr 2019 um 47 Prozent gestiegen. Zu jener Zeit war Corona zwar noch kein Thema. Aber immer mehr Unternehmen erkennen, dass die Wirtschaft volatiler wird, dass sich Geschäftsmodelle ändern und mit ihnen auch die Anforderungen an die Mobilität.

Der Markt fordert Veränderungen

Neben dem Wunsch nach mehr Flexibilität gewinnt der Fahrzeugkauf oder -besitz und damit die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Vorteile voll selbst nutzen zu können, an Stellenwert. Der Gedanke, mit dem Fahrzeug in den eigenen Büchern selbst einen Restwert in der Hand zu haben, scheint wieder an Auftrieb zu gewinnen. „Es sind vor allem größere Flotten ab 50 Fahrzeugen, welche die selbst verwaltete Flotte im eigenen Besitz wieder als Vorteil entdeckten. Mittlerweile sind dies schon wieder 30 Prozent der Unternehmen in diesem Segment“, heißt es in der Leasing-Analyse 2021 von Dataforce, der führenden auf gewerbliche Mobilität spezialisierten Marktforschungsgesellschaft. Für welches Modell man sich entscheidet, ist allerdings keine ideologische Frage. „Es kommt immer auf den Einzelfall an. Für kleinere Unternehmen ohne eigenes Fuhrparkmanagement kann ein Leasing mit Service-Komponenten durchaus sinnvoll sein. Ab 100 Fahrzeugen lohnt es sich, auf die Finanzierungs- und Unterhaltungskosten aktiv Einfluss zu nehmen“, so Holman-Experte. Die Entkoppelung beider Bereiche schaffe die dafür notwendige Transparenz.

Auch der mit Flexibilitätsvorteilen werbende Vermietungsmarkt bleibt von der aktuellen Entwicklung nicht verschont. BdKEP-Geschäftsführer Schumann: „Günstige und planbare Langzeitmieten werden nicht mehr abgeschlossen. Fahrzeuge werden tages-, wochen- oder monatsweise vermietet – zum Tagespreis.


Wie „Minderkilometer“ die Kosten erhöhen

Ursprünglicher Leasingvertrag: monatliche Rate 500 Euro, Laufzeit 36 Monate, vereinbarte Laufleistung 120.000 Kilometer, 12 Cent je Mehrkilometer, Erstattung von 4 Cent je Minderkilometer, Deckelung bei 7500 Kilometer.

Mehr- oder Minderkilometer: Hat das Auto am Ende 140.000 auf dem Tacho, werden 2400 Euro nachberechnet; die Leasingrate beträgt 14,5 Cent je Kilometer. Dem gegenüber werden für 20.000 Minderkilometer nur 300 Euro erstattet; die Leasingrate pro Kilometer beträgt 17,7 Cent. Mehr noch: Stellt man ein nicht benötigtes Fahrzeug in die Garage, hat man am Ende 17.700 Euro bezahlt und gibt der Leasingfirma ein fast nagelneues Auto zurück.

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