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Verhandlungspraxis: Gute Deals erfordern gute Fragen

Verhandlungspraxis
Gute Deals erfordern gute Fragen

Gute Deals erfordern gute Fragen
Durch Fragen kann man in Verhandlungen eine Vielzahl an Informationen gewinnen, trotzdem forschen die meisten nicht ausreichend nach.Bild: Oberart/123rf
Im Alltag stellen viele Verhandler zu wenige Fragen. Und sehr oft stellen sie die falschen Fragen. Dadurch entgeht ihnen die Möglichkeit, wertvolle Informationen zu sammeln und sie geraten zu schnell in ein basarähnliches Feilschen. Simple Tricks helfen, diese Tendenz abzumildern. Konsequent eingesetzt, kann die Informations-Blockade eines Verhandlungspartners aufgebrochen werden.

Durch Fragen kann man in Verhandlungen eine Vielzahl an Informationen gewinnen. Nichtsdestotrotz stellen die meisten Verhandler nicht ausreichend viele Fragen, teilen nicht genügend Informationen und konzentrieren sich eher darauf, ihre Position zu argumentieren oder zu verteidigen. Wenn sie Fragen stellen, dann meistens derart, dass sie dem Gegenüber nicht viele Informationen entlocken oder ihn sogar gegen sich aufbringen.

Wie man lernt, gute Fragen zu stellen

Neben der Recherche von Informationen zum Markt und zum Gegenüber oder dem Anbieten von Informationen in der Hoffnung, selber welche vom Gegenüber zu erhalten, ist das Stellen der richtigen Fragen eine erfolgskritische Strategie, um den Verhandlungspartner besser zu verstehen.

Ein wichtiger Grund, weshalb Verhandler der Informationsbeschaffung mittels Fragen widerstehen oder skeptisch gegenüberstehen liegt darin, dass sie eine Verhandlung als Kampf um ein großes Stück des Kuchens oder um limitierte Ressourcen ansehen, anstatt diese als Möglichkeit der Zusammenarbeit und des Schaffens von Mehrwert zu betrachten. Fragen des Verhandlungspartners kann einen verwundbar machen und setzt einen möglicher Ausbeutung aus, so die gängige Meinung. Der Wunsch, das Gesicht und das eigene Image nicht zu verlieren, tut sein Übriges.

Diese Bedenken sind selbstverständlich nicht aus der Luft gegriffen. In distributiven Verhandlungen, bei denen Verhandler lediglich um einen einzigen Punkt feilschen, stellen Verhandler Fragen, um die eigene Sichtweise zu untermauern oder um die Argumente des Gegenübers infrage zu stellen, aber nicht um neue Informationen zu gewinnen. Dadurch entgehen sie dem grundlegenden Konflikt, der dem Fragenstellen zugrunde liegt: dem Abwiegen zwischen Informationsaustausch zur Ergründung eines möglichen Konsenses und dem Risiko, Informationen preiszugeben, die gegen einen verwendet werden könnten. Diese Strategie geht nur dann gut auf, wenn es sich um eine simple Verhandlung handelt, bei denen die Verhandlungspartner keine regelmäßige Geschäftsbeziehung zueinander pflegen. In diesen Fällen kann man ruhigen Gewissens darauf verzichten, mehr über das Gegenüber zu lernen und ihn besser zu verstehen.

Wie Widerstände abgebaut werden können

Das Stellen von Fragen kann dazu führen, dass sich Verhandler bedroht fühlen, selbst wenn keine Drohung geäußert wurde oder intendiert war. Eine gestellte Frage kann vom Gegenüber unter Anspannung ganz anders verstanden werden. Jede Führungskraft, die einen Mitarbeiter mit einer Lücke im Lebenslauf eingestellt und eine Frage nach dieser Zeit gestellt hat weiß, wie leicht sich ein Kandidat dadurch angegriffen oder verunsichert fühlen kann. Die Herausforderung in Verhandlungen liegt darin, Fragen derart zu stellen, dass sich der Andere nicht ausgefragt fühlt und man ehrliche, nützliche Antworten erhält. Der Verhandlungspartner kann bezüglich der Absichten hinter einer Frage unsicher sein. Sind diese kooperativer oder kompetitiver Natur? Dieser Zweifel kann abgemildert werden, indem Fragen gestellt werden, die die Absicht der Schaffung von gemeinsamem Nutzen widerspiegeln. Diese Akzentuierung der Kooperation hilft vor allem schwächeren Verhandlungsparteien, da Stärkere eher dazu tendieren, den Fragen des Gegenübers zu widerstehen oder gar die Verhandlung abzubrechen.

Um komplexe Antworten zu erhalten und die Wahrscheinlichkeit des Erreichens einer für beide Seiten vorteilhaften Vereinbarung zu steigern, sollten …

… offene Fragen gestellt werden

Von offenen und geschlossenen Fragen hat jeder von uns mindestens einmal im Leben gehört. Und fast jeder Mensch weiß, dass offene Fragen äußerst wirkungsvoll sind. Dennoch „vergessen“ die meisten Verhandler „Wer? / Wie? / Weshalb? / Wann?“ zu fragen. Offene Fragen werden in der Regel als weniger aggressiv wahrgenommen, da sie dem Befragten eine Antwortbreite ermöglichen – er kann selbst entscheiden, wie spezifiziert er darauf eingeht. Des Weiteren steigern offene Fragen die Wahrscheinlichkeit, mehr als nur einsilbige Antworten zu bekommen.

Das schließt jedoch nicht aus, dass geschlossene Fragen auch nützlich sind. Das sind sie vor allem, wenn Sie das Gespräch lenken und wollen, dass Ihr Gegenüber zu einem Sachverhalt klar Stellung bezieht. Offene Fragen sind eher in der Anfangsphase einer Verhandlung vorzuziehen, wenn man noch nicht viel über die Bedürfnisse, Interessen und Prioritäten des Gegenübers weiß und ein kontinuierlicher Dialog notwendig ist. Geschlossene Fragen können dagegen im letzten Drittel der Verhandlung einen guten Effekt erzielen.

Am Unglücklichsten ist es, eine offene und eine geschlossene Frage zu kombinieren, bspw. „Könnten Sie den aktuellen Prozess mit Ihrem Lieferanten beschreiben? Reden diese offen über ihre Ziele?“. In diesem Fall wird sich der Befragte dafür entscheiden, die letzte (geschlossene) Frage zu beantworten, anstatt Informationen preiszugeben. Als „goldene Regel“ gilt, dass man nie zwei Fragen – selbst zwei offene – nacheinander stellen sollte. Der Verhandlungspartner wird in den meisten Fällen nur eine der beiden beantworten. Und zwar die leichtere der zwei.

Wenn die Antwort des Gegenübers nicht zufriedenstellend oder unvollständig ist, kann man durch nachfassende oder indirekte Fragen weitere Informationen erfragen. Annäherungsaussagen (bspw. „Ich verstehe.“, „Erzählen Sie mir mehr davon“, „Was geschah danach?“) üben einen subtilen, sozialen Druck auf Menschen aus, die einer Antwort ausweichen wollen. Stille kann strategisch eingesetzt werden, um das Gegenüber zum Weitersprechen zu animieren.

… prüfende Fragen gestellt werden

Anstatt die Stille direkt füllen zu wollen, kann man ruhig sein, mit dem Kopf leicht affirmativ nicken und den Stift nah an einem Blatt Papier halten, um weitere Informationen aufzuschreiben. Spezifizierungsaussagen helfen dann, wenn der Verhandlungspartner eine Frage nur teilweise beantwortet. Wenn die Frage nach bestimmten Deadlines gestellt wurde und die Antwort „die Firma braucht mehr Zeit“ lautete, kann man mit der Konkretisierungsfrage „Könnten Sie bitte spezifizieren, was mehr Zeit heißt?“ den anderen zum Weiterreden anstoßen. Zusammenfassen und Paraphrasieren des Gesagten hilft insofern, dass im schlimmsten Fall der Fragesteller der „Schuldige“ ist, weil er es nicht verstanden hat. Indem man das, was man gehört hat, mit eigenen Worten zusammenfasst und die Frage „Habe ich das richtig verstanden?“ hinterherschiebt, ist der Gesprächspartner bei einer nicht akkuraten Zusammenfassung gezwungen, sich zu konkretisieren. Clearing-Aussagen sollen helfen, relevante Informationen der Gegenseite zu erfragen, zu denen sich die andere Seite noch nicht geäußert hat. Eine Fragestellung wie „Welche weitere Bedenken haben Sie in der möglichen Zusammenarbeit, die Sie noch nicht geäußert haben?“ zwingt das Gegenüber darüber nachzudenken, ob alles bereits „auf dem Tisch liegt“. Eine Verneinung der Frage kann im Nachgang für den Verhandlungspartner problematisch werden.

… neutrale Fragen mit Argumenten kombiniert werden

Es gibt verschiedene Wege den Widerstand des Verhandlungspartners bezüglich gestellter Fragen zu brechen und die offene Teilung von Informationen zu forcieren. Vermieden werden sollten Suggestivfragen, also Meinungsäußerungen, die als Fragen getarnt sind („Sind Sie nicht der Ansicht, dass das Projekt bisher erfolgreich war?“). Nicht nur, dass solche Fragen keinen Informationsgewinn bringen, sie zwingen das Gegenüber auch in die Defensive, falls er nicht derselben Ansicht ist. Nachteilig wirken sich auch Fangfragen („Haben Sie keine weiteren Angebote, die Sie unterbreiten können?“), da sie Feindseligkeit hervorrufen können.

Wenn man hingegen Fragen so neutral wie möglich stellt, befördert dies ein Klima des Vertrauens und erleichtert die offene Beantwortung von Fragen („Wie ist Ihr bisheriger Eindruck zum Verlauf unseres Projekts?“). Wenn man eine Frage mit einer kurzen Argumentation einleitet, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, eine Antwort zu bekommen und ein möglicher „Befragungscharakter“ minimiert sich. Eine Aussage wie „Wir haben herausgefunden, dass einige Kunden die Flexibilität eines sich monatlich verlängernden Vertrages schätzen. Andere ziehen es vor, die Savings auf Jahresbasis festzuschreiben. Könnten Sie mir sagen, welche Präferenzen Sie diesbezüglich haben und weshalb?“ wirkt weniger aufdringlich und konfrontativ.


Aus der Praxis

7 Tipps für bessere Fragen

  • Stellen Sie offene Fragen am Anfang der Verhandlung und immer dann, wenn Sie mehr über das Gegenüber in Erfahrung bringen wollen.
  • Geschlossene Fragen helfen gegen Ende der Verhandlung, wenn Sie auf Committments zusteuern.
  • Stille kann effektiv und zielgerichtet eingesetzt werden.
  • Paraphrasieren Sie das Verstandene in Verbindung mit eigener „Schuldeingeständnis“, damit sich der Andere (nochmal) im Detail erklärt.
  • Stellen Sie nie zwei Fragen hintereinander.
  • Formulieren Sie Fragen so neutral wie möglich und leiten Sie diese mit einer kurzen und prägnanten Argumentation ein.
  • Hören Sie zu, um zu verstehen – nicht um zu antworten.

Calin-Mihai Isman,
Negotiator & Mediator,
Isman & Partner, Köln

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