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Zulieferindustrie: Qualität zu wettbewerbsfähigen Preisen

Kutlu Karavelioğlu, Präsident von Turkish Machinery
Qualität zu wettbewerbsfähigen Preisen

Der Faktor „Qualität zu wettbewerbsfähigen Preisen“ weckt starkes internationales Interesse am türkischen Maschinenbau. Einen erheblichen Beitrag zur Wertschöpfung leistet die Zulieferindustrie. Im Interview mit Kutlu Karavelioğlu, Präsident von Turkish Machinery, sprachen wir über die Entwicklung der Branche und die deutsch-türkische Zusammenarbeit.

Beschaffung aktuell: Herr Karavelioğlu, welche Bedeutung hat der Maschinenbau für die türkische Wirtschaft?

Karavelioğlu: Viele türkische Industriebranchen haben sich in den letzten Jahren konstant stark entwickelt. Der Maschinenbausektor nimmt bei dieser Entwicklung eine herausragende Stellung ein und gilt als Motor der türkischen Industrie. Mit einem Exportwert von 17,1 Milliarden US-Dollar hatte die Maschinenbaubranche einen erheblichen Anteil am Gesamtexport der Türkei in Höhe von 168,1 Milliarden US-Dollar. Dabei stieg der Exportwert des türkischen Maschinenbausektors um 15,5 Prozent, der Weltexport von Maschinen hat lediglich um 4 Prozent zugelegt.

Beschaffung aktuell: Was war ausschlaggebend für diese Entwicklung?

Karavelioğlu: Qualität zu wettbewerbsfähigen Preisen – dieser entscheidende Faktor weckte ein starkes internationales Interesse an der Branche. Eine führende Rolle spielt hierbei die Zulieferindustrie, die einen erheblichen Beitrag zur Wertschöpfung leistet. Diese Stärke rückt immer weiter in den Fokus vieler Einkäufer, aber auch von Investoren.

Beschaffung aktuell: Was zeichnet die türkischen Maschinenbauer besonders aus?

Karavelioğlu: Die Struktur des Maschinenbausektors mit vorwiegend flexiblen kleinen und mittelständischen Unternehmen ist zunächst hervorzuheben. Diese Betriebe verfügen über fortschrittliche, technische Fähigkeiten. Zudem sind sie in der Lage, sich schnell an internationale Fertigungsstandards sowie an neue Technologien anzupassen. Hohes Qualitätsbewusstsein bei wettbewerbsfähigen Preisen zeichnen das Produkt- und Leistungsangebot ebenso aus, wie zuverlässige und schnelle Lieferzeiten sowie umfassende Aftersales Services.

Beschaffung aktuell: Worauf richten diese Unternehmen zukünftig ihren Fokus?

Karavelioğlu: Vor allem darauf, eine stabile Steigerung der Exporte im Mittel- bis Hochtechnologiesektor zu erreichen. Viele Betriebe haben ihren Modernisierungsbedarf erkannt und sind dabei, insbesondere in den exportorientierten Branchen wie der Kraftfahrzeug-, Nahrungsmittel-, Textil- und Metallindustrie, ihre Anlagen technisch aufzurüsten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, erhöhen türkische Betriebe ihre Wertschöpfung und entwickeln sich zu Anbietern von Mittel- und Hochtechnologieprodukten.

Beschaffung aktuell: Wie ausgeprägt ist das Interesse an Digitalisierung und Industrie 4.0?

Karavelioğlu: Um die bisher erreichten Ziele der Industrie dauerhaft zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit weiter auszubauen, sehen sowohl die Wirtschaftsakteure als auch die türkische Regierung eine zentrale Bedeutung in der digitalen Transformation der Industrie. So wurde unter der Federführung des Industrie- und Technologieministeriums der Türkei eine Strategie für die digitale Transformation des Landes erarbeitet und Anfang 2018 ein Strategiepapier veröffentlicht. Indem alle Aspekte des digitalen Wandels beleuchtet und Ziele für die kommenden Jahre formuliert wurden, soll das Strategiepapier als digitale Roadmap für die verschiedenen Branchen dienen.

Beschaffung aktuell: Was ist hier konkret geplant?

Karavelioğlu: Geplant ist die Errichtung von zehn landesweiten Zentren für den digitalen Strukturwandel. Deren Aufgabe wird es sein, mindestens 7000 Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen bei Digitalisierungs- und Automatisierungsthemen zu beraten und bei der Umsetzung zu begleiten. Zunächst bieten zahlreiche Seminare, Workshops und Schulungsprogramme eine Informationsbasis, die dann in konkrete Beratung zu individuellen Themen münden soll.

Beschaffung aktuell: Welchen Beitrag können deutsche Unternehmen zur Industrie 4.0 leisten?

Karavelioğlu: Der technologische Wandel zieht radikale Veränderungen nach sich. Für Unternehmen ist es immer wichtiger, Wege und Formen zu finden, um auf die radikalen Veränderungsraten reagieren zu können. Entscheidend ist, Technologiesprünge zu erkennen und die Auswirkungen auf Markt, Kunde, Wettbewerb und das eigene Unternehmen abzuschätzen. Deutschland hat sowohl im Tempo der technologischen Entwicklung als auch den daraus resultierenden Mechanismen, Modellen und Plattformen einen klaren Vorsprung. Deswegen hat der deutsche Maschinenbau für uns nach wie vor eine Leitfunktion. Die Innovationsbereitschaft unserer Unternehmen ist groß. Uns ist jedoch auch bewusst, dass wir für die künftige Wettbewerbsfähigkeit Technologietransfer sowie Unterstützung bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen noch benötigen, um zukunftsfähige Strategien umzusetzen. Hier sehen wir als Turkish Machinery unsere Aufgabe darin, sowohl Unternehmen als auch Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen aus der Türkei und Deutschland zusammenzubringen, um das Potenzial und die Bereitschaft zur Gestaltung der Zukunft im technologischen Wandel mit dem Know-how aus Deutschland zusammenzubringen und gemeinsam effizient daran zu arbeiten.

Beschaffung aktuell: Turkish Machinery knüpft hierzulande enge Partnerschaften zu Wirtschaftsakteuren. Worauf kommt es Ihnen hier besonders an?

Karavelioğlu: Die deutsch-türkische Zusammenarbeit stand und steht im Vordergrund des Interesses aller Wirtschaftsakteure des Maschinenbausektors in der Türkei. Dies unterstreicht und unterstützt Turkish Machinery weiterhin mit seiner Tätigkeit in Deutschland. Beispielsweise arbeiten wir mit der Wirtschaftsförderung Sachsen sowie Ve.mas innovativ, Innovationsverbund Sachsen, zusammen. Für dieses Jahr ist hier noch eine Reise sächsischer Unternehmen nach Istanbul sowie in die Industrieregion Konya geplant. Darüber hinaus stehen wir in stetigem Kontakt zu NRW International, dem VDMA NRW, OWL Maschinenbau sowie verschiedenen Industrie- und Handelskammern im gesamten Bundesgebiet.

Beschaffung aktuell: Was steht in diesem Jahr noch auf der Agenda?

Nachdem wir in diesem Jahr bereits deutsch-türkische Kooperationsforen auf der Intec in Leipzig, auf der Hannover Messe sowie auf der Gifa in Düsseldorf mit unseren Partnern zusammen organisiert haben, stehen im weiteren Jahresverlauf neben den Messeauftritten auf der K2019, der Interlift, der Blechexpo sowie der Agritechnica noch deutsch-türkische Kooperationsveranstaltungen wie Technologie-Tage sowie Maschinenbau-Tage auf unserer Agenda.

Beschaffung aktuell: Was ist das besondere Anliegen von Turkish Machinery in Deutschland?

Karavelioğlu: Deutschland ist einer der stärksten Partner der türkischen Maschinenbauindustrie. Von deutschen Partnern konnten wir viel dazulernen, sei es Standarisierungen, Normen, die Entwicklung ausgezeichneter Maschinen oder das Know-how der Ingenieure. Deutschland war und ist immer ein Benchmark und ein Vorbild für den Maschinenbau in der Türkei. Die Union der türkischen Maschinenexporteure (MAIB) vertritt mit seinen derzeit etwa 11.000 Mitgliedsunternehmen alle exportierenden türkischen Maschinenbauunternehmen und deckt damit die Bereiche Maschinenhersteller, Zulieferindustrie, Auftragsfertigung sowie weitere Lieferanten für Zwischen- und Endkunden ab. Als Ansprechpartner in Deutschland legt Turkish Machinery das Augenmerk auf die Intensivierung der deutsch-türkischen Zusammenarbeit, die Generierung von Kooperationen, auf die Förderung des Technologietransfers sowie auf gemeinsame Projekte im Bereich Forschung und Entwicklung. Besonderes Augenmerk gilt insbesondere dem Zugang der türkischen Maschinenindustrie zu Informationen, Partnern, Beratern, Dienstleistern im Zusammenhang mit Industrie 4.0, Digitalisierung, Robotik und Automation.

Beschaffung aktuell: Interessieren Sie sich auch für die Investitionen deutscher Unternehmen in der Türkei?

Karavelioğlu: Generell hat die Türkei großes Interesse an ausländischen Investitionen. Deutschland nimmt hier eine besondere Stellung ein. Bereits seit vielen Jahren investieren deutsche Unternehmen erfolgreich in der Türkei. Die Verbindungen sind über Jahre gewachsen und von vertrauensvoller und engagierter Zusammenarbeit geprägt, sodass wir sehr darauf hoffen, dass die Investitionsbereitschaft aus Deutschland wieder mehr Fahrt aufnimmt

Beschaffung aktuell: Vermitteln oder helfen Sie beim Markteintritt in die Türkei?

Karavelioğlu: Turkish Machinery vertritt seine Mitglieder tatsächlich nicht nur auf übergeordneter Ebene. In der operativen Umsetzung von Kooperations- und Zusammenarbeitsideen kann Turkish Machinery deutsche Unternehmen darin unterstützen, leistungsfähige Kooperationspartner gezielt zu identifizieren oder den direkten Zugang zu Informationen für und über die türkische Maschinenbauindustrie zu verschaffen. Es geht aber auch um Ansiedlungs- und/oder Markteintrittshilfe für Unternehmen mit Zielmarkt Türkei. Zugleich hilft Turkish Machinery, aktuellste Informationen und Insider-Know-how bereitzustellen und unterstützt Unternehmen aktiv bei Sourcing-Prozessen oder der Suche nach Zulieferern in der Türkei.

Beschaffung aktuell: Welche Drehkreuzfunktion hat die Türkei in den Nachbarländern?

Karavelioğlu: Einer der wichtigsten Vorteile der Türkei liegt in der geostrategischen Lage zwischen Europa und Asien, welche günstige Verkehrswege zu den Märkten Europas sowie Russland, Kaukasus, Zentralasien und dem Nahen Osten mit sich bringt. So gilt die Türkei als wichtige internationale Energiedrehscheibe oder als Knotenpunkt für Europas Energieversorgung. Darüber hinaus nimmt sie einen wichtigen Platz im chinesischen Projekt der Neuen Seidenstraße ein. In einer Zeit, in der Flexibilität, Lieferzeiten und Geschwindigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnen und genauso wichtig sind, wie niedrige Löhne, bildet die geografische Lage einen bedeutenden Wettbewerbsfaktor. Die logistische Nähe der Türkei zu Europa und dem Mittleren Osten ist daher ein wesentlicher Standortvorteil im Vergleich zu Asien, Fernost und China. Türkische Hersteller sind in der Lage, vergleichsweise qualitativ hochwertige Produkte in kürzerer Zeit anzubieten.

Beschaffung aktuell: Haben die Ereignisse der letzten Monate in der Türkei die Aktivitäten internationaler Unternehmen in der Türkei beeinflusst?

Karavelioğlu: Auch wenn der stetige Aufwärtstrend, den die türkische Wirtschaft erreicht hat, seit einiger Zeit aus unterschiedlichen Gründen gedämpft wird und insgesamt unterschiedliche Barrieren zu überwinden sind, zeigt der Maschinenbausektor mit engagierten und dynamischen Unternehmen diesem Trend dennoch erfolgreich die Stirn.

Im Zeichen von Unsicherheiten auf internationaler Ebene ist Engagement bei Neuinvestitionen hinter den Ereignissen zurückgeblieben. Jedoch ist auch hier zu betonen, dass bereits investierende Partner ihre Arbeit dort weiter fortsetzen und sich nicht zurückziehen, sondern vielmehr weitere Aktivitäten starten werden.

Wichtig ist die Kontinuität der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, um das sehr gute Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei zu stärken. Wir richten in unserer Arbeit weiterhin den Fokus vor allem in Deutschland auf die Intensivierung der deutsch-türkischen Zusammenarbeit, die Generierung von Kooperationen, auf die Förderung des Technologietransfers und auf gemeinsame Projekte im Bereich Forschung und Entwicklung. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.

Dietmar Kieser,
Redakteur Beschaffung aktuell

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