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Internationale Beschaffung: typische Fehler und wie man sie vermeidet

Recht, Compliance und Konfliktmanagement
Internationale Beschaffung: typische Fehler und wie man sie vermeidet

Internationale Beschaffung: typische Fehler und wie man sie vermeidet
Bild: Rajesh Rajedran Nair/123rf
Der Einkauf von Programmierungsleistungen in Indien, von Call-Center-Dienstleistungen in Indonesien und von Schnittblumen aus Kenia sind inzwischen Klassiker, und zwar oft auch mit erheblichem Unterhaltungswert: Indische Software, die nur auf Betriebssystemen läuft, bei denen keine Wartungsarbeiten mehr angeboten werden, Call-Center-Mitarbeiter, die in Englisch oder Deutsch nur vier Standardsätze beherrschen, und die Speisezwiebeln, die Tulpenzwiebeln sein sollten: Das alles gibt es beim globalen Sourcing.

Die vielfältigen Themen, die bezüglich Kosten, Technik und Qualität der Leistungen und rechtlicher Fragen mit der grenzüberschreitenden Beschaffung verbunden sind, überschreiten gerne die Vorstellungen der Erfinder solcher Beschaffungsprojekte, und zwar leider meist in ihren negativen Auswirkungen und seltener in den positiven. Derartige Projekte strapazieren nicht nur die betriebswirtschaftlichen Prognosefähigkeiten des Einkäufers wegen der Schwierigkeit der Kalkulation, sondern auch die technischen Kapazitäten, da er mit Faktoren rechnen muss, die bei einer Beschaffung in Deutschland oder innerhalb der EU vorausgesetzt werden können. Nicht zuletzt ist von den mindestens trimodalen (Kalkulation, Technik und Recht) Eigenschaften des Einkäufers auch noch die Komponente „rechtliche Kenntnisse“ besonders gefordert, denn für die grenzüberschreitende Beschaffung gelten andere gesetzliche Regeln als bei der inländischen Beschaffung. Dieser Aufsatz erörtert einzelne typische rechtliche Risiken und zeigt Optionen zur Vermeidung auf.

Anwendbares Recht in der EU

Nicht erst bei einer Beschaffung in einem Land außerhalb der EU, sondern schon bei der Gestaltung eines Liefervertrages mit einem Zulieferer innerhalb der EU stellt sich die Frage, ob der Vertrag nach deutschem Recht, nach dem Recht, das am Sitz des Lieferanten gilt, oder nach dem Recht eines Drittstaates abgeschlossen wird. Für alle drei Varianten gibt es Vor- und Nachteile, die jeweils mit den Zielen, die vom Besteller verfolgt werden, in Verbindung stehen. Ein paar Beispiele:

  • Eigentum:

Ist es für den Besteller wichtig, dass er möglichst bald Eigentum an den bestellten Waren erhält, dann wird für die Übertragung des Eigentums eine Vereinbarung nach dem Recht des Landes, in dem sich die Ware befindet (also meist nach dem Recht des Landes am Sitz des Lieferanten) benötigt. Bei Immobilien ist das noch allgemein bekannt: Auch Immobilien in Deutschland lassen sich nur durch einen notariellen Vertrag nach deutschem Recht erwerben. Aber dieser Grundsatz gilt auch für Mobilien, also für bewegliche Gegenstände. Beispiel: Wer im Ausland Möbel (und das Wort „Möbel“ leitet sich direkt von „Mobilie“, also beweglicher Gegenstand, ab) kauft, kann Eigentum an diesen Möbeln im Ausland nur nach dem Recht des Landes erwerben, in dem sich die Möbel befinden.

Wenn der Einkäufer Bedenken hat, dass sein Lieferant irgendwann während der Vertragslaufzeit insolvent wird und ein entsprechendes Verfahren eröffnet wird, dann besteht nur in dem Fall, wenn der Besteller nachweisen kann, dass er schon vor Ort Eigentum erworben hat, die Möglichkeit, durch einen Aussonderungsantrag unabhängig von dem Insolvenzverfahren seine Waren, Werkzeuge usw. zu erhalten.

  • Sicherungsrechte:

Für gewährte Sicherheiten, z. B. die Abtretung von Forderungen oder von sicherungsübereigneten Gegenständen oder Rechten ist bezüglich der Rechtswahl darauf zu achten, dass das Recht des Landes gilt, in dem das entsprechende Sicherungsrecht durchgesetzt werden soll. Das ist bei der grenzüberschreitenden Beschaffung meist nicht Deutschland. Beispiel: Wird ein Anspruch gegen eine Versicherung abgetreten, dann besteht der Anspruch oft gegen eine inländische Versicherung im Land des Lieferanten. Also muss die Abtretung des entsprechenden Anspruches gegen die Versicherung auch gemäß dem entsprechenden Landesrecht vereinbart werden.

Im Russland-Geschäft kann man durchaus erreichen, dass der russische Lieferant (wenn das Geschäft für ihn wirklich interessant ist) als Sicherheit ein Pfandrecht an Wertgegenständen gewährt, die bei einer Schweizer Bank in einem Safe liegen. Dann muss das entsprechende Pfandrecht nach Schweizer Recht bestellt werden.

  • Schadensersatzansprüche:

Anders als beim Eigentum oder bei Sicherungsrechten ist der Beschaffer bei der Rechtswahl im Hinblick auf Schadensersatzansprüche frei. Derartige schuldrechtliche Pflichten kann man nach deutschem Recht, nach dem Recht des Landes, in dem der Lieferant seinen Sitz hat oder nach dem Recht eines Drittstaates gestalten. Kriterien für die Rechtswahl sind dann: Hat das Gericht/Schiedsgericht, das im Fall einer Streitigkeit entscheidet, Ahnung von dem vereinbarten Recht? Welches Recht ist inhaltlich für den Beschaffer günstiger? Was akzeptiert der Lieferant? Widersprechen die von mir gewünschten Vertragsklauseln eventuell dem gewählten Recht?

  • Technische Vorschriften:

Wenn die gelieferten Teile gesetzlich technischen Vorschriften entsprechen müssen, dann bekommt die Frage der Rechtswahl einen neuen Spin: Jetzt muss man die Anforderungen des eigenen Kunden im Blick haben und dessen Bedürfnis an den Lieferanten durchreichen. Beispiel: Soll das Endprodukt gesetzlichen technischen Anforderungen genügen, die in Schweden gelten, dann muss in den Rahmenvertrag mit dem Lieferanten aus Ungarn schon aufgenommen werden, dass und welche gesetzlichen Anforderungen nach schwedischem Recht erfüllt sein müssen.

Ergebnis: Welches Recht anwendbar sein soll, das lässt sich nie pauschal klären. Vielmehr ist zu beachten, dass je nach Zielsetzung auf verschiedene Themen jeweils ein anderes Landesrecht Anwendung findet. Grundsatz: Die schuldrechtlichen Hauptpflichten sollten einem einheitlichen Recht unterworfen werden und für Spezialthemen wie beispielsweise Eigentum, Besicherung oder technische Vorschriften sind Ausnahmen von dem grundsätzlich anwendbaren Recht aufzunehmen.

Beschaffung in Nicht-EU-Staaten

Bei der internationalen Beschaffung außerhalb der EU kommt eine wichtige Komponente hinzu: Jetzt geht es nicht nur darum, ob das gewählte Recht zum jeweiligen Thema/Ziel passt, sondern es geht auch darum, ob das im Streitfall zuständige Gericht/Schiedsgericht einerseits das entsprechende Recht kennt, und andererseits auch, ob ein Titel dieses Gerichts/Schiedsgerichts überhaupt am Sitz des jeweiligen Lieferanten/Schuldners anerkannt und vollstreckt werden kann.

Es ist eine Besonderheit der EU, dass Gerichtsentscheidungen aus jedem EU-Land in jedem anderen EU-Land anerkannt und vollstreckt werden müssen! Im Hinblick auf die Anerkennung und Vollstreckung ist die Welt keineswegs globalisiert; nur die EU ist insoweit „intern“ globalisiert.

Die Durchsetzung eines Titels vor Ort am Sitz des Lieferanten ist außerhalb der EU im Hinblick auf Titel, die man bei einem staatlichen Gericht bekommt, grundsätzlich immer nur dann gegeben, wenn der Titel auch aus dem Land stammt, in dem der Lieferant seinen Sitz hat.

Beispiel: Gegen einen russischen Lieferanten hilft ein deutsches Gerichtsurteil nicht, denn Russland erkennt grundsätzlich deutsche Gerichtsurteile in handelsrechtlichen Streitigkeiten nicht an. Umgekehrt ist bei einem deutsch-russischen Lieferverhältnis es ein Risiko für den deutschen Besteller, wenn ein deutscher Gerichtsstand vereinbart wird, denn im Fall einer Streitigkeit kann dann das russische Unternehmen den deutschen Besteller in Deutschland verklagen und einen verwendbaren Titel (falls das russische Unternehmen den Prozess gewinnt!) erlangen.

Ergebnis: Bei derartigen Beschaffungen in Nicht-EU-Ländern sollte ein Gerichtsstand im Land des Lieferanten gewählt werden. Da dieses Gericht meist nur über rechtliches Know-how im eigenen Landesrecht verfügt, macht es dann auch Sinn, das jeweilige Landesrecht des Lieferanten zu vereinbaren. Oft wird man das aber aus guten Gründen nicht wollen, z. B. wegen der Nicht-Existenz einer unabhängigen Justiz, wegen des Korruptionsrisikos, wegen bekannt schlechter Erfahrungen mit entsprechenden inländischen Gerichten oder auch wegen drohender überlanger Prozessdauer. Dann sollte folgende Alternative in Betracht gezogen werden: Man vereinbart ein Schiedsgericht. Bei den international tätigen Schiedsgerichten (z. B. in Wien, Stockholm, Paris, Zürich, Köln usw.) kann man Titel erwerben, die man aufgrund eines internationalen Abkommens (New Yorker Abkommen von 1958) in den meisten Wirtschaftsnationen der Welt verwenden kann. Aber Vorsicht: In einer Schiedsvereinbarung sollte zumindest genau geregelt werden, für welche Fragen das Schiedsgericht zuständig sein soll, und eventuell auch schon, wer Schiedsrichter sein soll, damit man keine blauen Wunder erlebt.

Hilft das UN-Kaufrecht?

Das UN-Kaufrecht geht auf einen internationalen Vertrag zurück, dem viele Länder beigetreten sind. Seine Regelungen gelten, wenn Besteller und Lieferant in unterschiedlichen Ländern sitzen, beide Länder das UN-Kaufrecht ratifiziert haben und wenn es nicht zwischen den Parteien ausdrücklich ausgeschlossen wurde.

Soll man es ausschließen oder nicht? Die Antwort ist nicht kompliziert, denn sie ergibt sich schon aus der Zielsetzung des UN-Kaufrechts: Das UN-Kaufrecht soll den Handel auf der Welt vereinfachen und beschleunigen. Deshalb sind die Regelungen des UN-Kaufrechts so ausgestaltet, dass – vereinfacht gesagt – zügig geliefert und bezahlt wird. Man könnte auch sagen: Das UN-Kaufrecht gewichtet doch eher zugunsten des Lieferanten. Es ist quasi das Gegenstück zum deutschen/europäischen Verbraucherschutzrecht, das in erster Linie den Verbraucher/Käufer als schwächere Vertragspartei schützt.

Deshalb empfiehlt es sich als Besteller, regelmäßig das UN-Kaufrecht auszuschließen, denn schon die üblichen eigenen Allgemeinen Einkaufsbedingungen und das deutsche Zivilrecht (wie auch regelmäßig das Landesrecht anderer Länder) enthält tendenziell stärkere Rechte für den Besteller als das UN-Kaufrecht.


Rechtsanwalt Martin Neupert,
BME-Competence Center
Service Recht,
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