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Mehr Möglichkeiten durch virtuelle Zulieferer

Vorteile von On-Demand-Fertigungsplattformen
Mehr Möglichkeiten durch virtuelle Zulieferer

Mehr Möglichkeiten durch virtuelle Zulieferer
Misumi hat kürzlich das Angebot der 3D-Fertigungsplattform meviy erweitert und bietet nun auch Drehteile on demand an. Hier zu sehen ist eine Welle für den Maschinenbau mit fünf unterschiedlichen Oberflächenbehandlungen. Bild: Misumi

Deutschland gilt als ein Vorreiter beim Thema Industrie 4.0. Im Bereich des Einkaufs hat die ganz große Digitalisierung aber auch hierzulande noch nicht stattgefunden. On-Demand-Fertigungsplattformen sind dabei, das ein Stück weit zu ändern. Innerhalb kürzester Zeit lassen sich Angebote und Lieferzeiten per Mausklick erstellen. Somit wird Off-Shoring wieder interessant(er). Ein Gastbeitrag von Stephan Stammberger, Geschäftsführer von Misumi Europa, das vor zwei Jahren in Europa die Fertigungsplattform meviy gestartet hat. 

„Alles, was man digitalisieren kann, wird in Zukunft digitalisiert werden.“ Mit diesen Worten zitierte Angela Merkel während ihrer Eröffnungsrede auf der Hannover Messe 2013 den allgemeinen Anspruch an „Industrie 4.0“. Den Begriff hatte zwei Jahre zuvor eine Forschungsunion der Bundesregierung geprägt. Der Vision dahinter verhalf die Kanzlerin mit ihrer Rede noch einmal zu einer hohen Aufmerksamkeit. Das Zielbild einer digitalisierten, intelligenten, vernetzten und flexiblen Wertschöpfungskette der Industrie, in der Maschinen, Produkte und Menschen miteinander kommunizieren und kooperieren, ist bis heute gültig. Und Deutschland zählt heute mit Japan zu den Vorreitern weltweit.

Und doch: Während heute die industrielle Digitalisierung in Teilbereichen stattfindet, etwa bezüglich des industriellen Designs mithilfe von CAD-Software, der Vernetzung und des Internets der Dinge (Internet of Things, IoT) oder mit Blick auf automatisierte Prozesse und Robotik in der Produktion, ist der Bereich des Einkaufs noch relativ traditionell. Das mag auch daran liegen, dass Einkäufer in der Regel über viele Jahre hinweg mit Zulieferern zusammenarbeiten, Kooperationen nicht nur auf Preisen, sondern auch auf persönlichem Vertrauen bestehen und mittelständische Zulieferer noch keine ausgeprägten digitalisierten Prozesse verfolgen.

Seit einigen Jahren ist jedoch Bewegung in den Beschaffungsprozess gekommen. Es entstehen immer mehr On-Demand-Fertigungsplattformen, die den Bestellprozess deutlich abkürzen können und, je nach Ausprägung, Unternehmen ein Stück näher an die Vision von Industrie 4.0 bringen. Wenn der Einkauf nämlich per Mausklick erfolgt, inklusive Angebotserstellung mit Preisen und Lieferzeit, kann auch der anschließende Fertigungsprozess zeiteffizient nahezu vollautomatisiert stattfinden. So verläuft es beispielsweise bei einer Bestellung über die Plattform meviy.   

Immense Zeitersparnis durch Herstellungsplattformen

In den überwiegenden Fällen holt sich der Einkauf zwei bis drei Angebote verschiedener Zulieferer ein. Das bedeutet: Der Konstrukteur erstellt zunächst ein 3D-Modell und fertigt darauf basierend eine 2D-Zeichnung an, die sämtliche Spezifikationen wie zum Beispiel Toleranzen berücksichtigt. In größeren Unternehmen wird diese Zeichnung an den zuständigen Einkäufer weitergeleitet, der diese wiederum seinen Zulieferern für eine Angebotserstellung zukommen lässt. Bei kleineren Unternehmen mag der Konstrukteur diese Aufgabe selbst übernehmen. Dann wartet man alle Angebote ab und entscheidet sich für einen der Anbieter. Bis zur Auftragserteilung vergehen so schon mal ein paar Tage.

Herstellungsplattformen wiederum können viel schneller, im Fall von meviy innerhalb von wenigen Klicks, ein Angebot erstellen. Es ist auch nicht nötig, eine 3D-Zeichung in ein 2D-Format zu übertragen. Die 3D-CAD-Dateien werden einfach per Drag-and-drop auf die Plattform hochgeladen. Dann erfolgt automatisch die Berechnung von Kosten und Lieferzeit – im Fall von meviy findet dieser Prozess KI-basiert statt. Das ist bedeutend schneller als der herkömmliche Bestellprozess. Bei Misumi sieht man mit dem Service eine Zeitersparnis von bis zu 90 Prozent gegenüber dem traditionellen Bestellvorgang.

Virtuelle Verbesserungsvorschläge im Designprozess

Herstellungsplattformen bieten Einkäufern also nicht nur eine Alternative, wenn es darum geht, die erforderlichen zwei bis drei Angebote einzuholen, sie tun dies auch schnell und, im Fall von meviy, äußerst zuverlässig. Geschwindigkeit ist der Erfahrung des Unternehmens nach für viele Einkäufer auch ein Schlüsselargument, eine Bestellplattform zu nutzen. Wenn die Zeit drängt, und wenn beispielsweise vergessen wurde, ein bestimmtes Teil zu bestellen, dann bieten sich Herstellungsplattformen an, diese Lücke zu schließen. Und da es mittlerweile verschiedene Anbieter gibt, lassen sich auf diese Weise schnell Vergleichsangebote einholen.

Es entstehen immer mehr On-Demand-Fertigungsplattformen, die den Bestellprozess deutlich abkürzen können und, je nach Ausprägung, Unternehmen ein Stück näher an die Vision von Industrie 4.0 bringen. Bild: Misumi

Die Plattformen helfen auch, Kosten zu senken. Wenn ein Konstrukteur nach dem erfolgten Angebot bestimmte Parameter wechselt, zum Beispiel eine günstigere Beschichtung wählt, kann er in kürzester Zeit feststellen, wie sich das auf die Produktionskosten auswirkt. Bei meviy kann er viele Spezifikationen der Bauzeichnung direkt in der Plattform vornehmen. Und wenn sich ein gewünschtes Teil produktionstechnisch nicht realisieren lässt, wird die Plattform ihm das sofort mitteilen und oft sogar automatisch Änderungen vorschlagen, um dem ursprünglichen Entwurf so nahe wie möglich zu kommen. Aufgrund dieser Funktion wird Meviy beispielsweise in Japan auch gerne zu Lehrzwecken für die Ausbildung von Konstrukteuren genutzt. Ein weiterer Vorteil ist, dass es keine Beschränkungen bezüglich der Menge der Uploads gibt und der Angebotsservice rund um die Uhr verfügbar und kostenfrei ist.

Qualität der Produktion bleibt ausschlaggebend

Für viele Einkäufer spielt aber auch die Zuverlässigkeit einer Online-Plattform eine große Rolle, die natürlich individuell geprüft werden muss. Das betrifft zu einem sehr großen Teil die Qualität der Produkte. Hier sei noch einmal Angela Merkel zitiert: „Wenn man auf der Hannover Messe ist und nicht auf der CeBIT, sollte man nicht nur über ‚big data‘ sprechen, sondern auch noch ein bisschen über die Präzision einer Schraube und die Qualität eines Stücks Stahl. Ich denke, auch das werden wir in Zukunft brauchen.“ Einkäufer sollten deshalb kritisch prüfen, wie eine Fertigungsplattform aufgestellt und strukturiert ist, und wie zuverlässig sie Qualität liefern kann.

Das betrifft auch die Frage nach der garantierten Lieferzeit. Erstellt meviy virtuell ein Angebot, ist sichergestellt, dass die benötigten Materialien vorhanden sind und es zu keiner Verzögerung kommt. Das wiederum eröffnet Einkäufern neue Möglichkeiten, entgegen dem Trend zum Re-Shoring, der während und nach der Hochphase der Pandemie in der deutschen Industrie diskutiert wurde. Wurde damit das Ziel verfolgt, Lieferketten resilienter zu machen, lassen sich heute über virtuelle Angebote schnell und einfach Produkte auch von Übersee zuliefern, die innerhalb Deutschlands oder Europas nicht produziert werden konnten, beispielsweise wegen Materialmangels. Und wenn man weiß, wie schwer es ist, sich in anderen Regionen vor Ort ein Lieferantensystem aufzubauen, liegen die Vorteile des virtuell vernetzten Beschaffungsdienst auf der Hand. Zumal die Anfrage kostenfrei ist und rund um die Uhr zur Verfügung steht, zumindest bei meviy.

Noch werden On-Demand-Plattformen als Ergänzung zum Beschaffungsprozess genutzt. Die Spezialisten bei Misumi glauben aber daran, dass sich der virtuelle Bestellprozess aufgrund seiner Vorteile immer mehr durchsetzen wird. Zulieferer werden sich zunehmend Plattformen anschließen, weil sie sich dadurch neue Kundenkreise erschließen können. Und in einer Zeit, in der Schnelligkeit und pünktliche Lieferung in industriellen Prozessen immer wichtiger werden, wird sich auch der Einkauf virtuelle Unterstützung suchen. Gut möglich, dass in den kommenden fünf bis zehn Jahren der Bestellvorgang ein Stück weit zum Konstrukteur wandert, in dem dieser gleichzeitig konstruiert und bestellt. Für den Einkäufer bedeutet das, dass er um eine administrative Aufgabe entlastet wird.

Der Autor: 

Bild: Misumi

Stephan Stammberger, Geschäftsführer von Misumi Europa

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