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Schwebendes Transportsystem ctrlX Flow6D von Bosch Rexroth

Steffen Winkler, CSO BU Automation & Electrification Solutions, Bosch Rexroth AG
„Riesiges Anwendungsfeld im Bereich der planaren Robotik“

Automatisierte Intralogistik-Prozesse sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Smart Factory. Welche Anwendungsmöglichkeiten und Vorteile Bosch Rexroths Transportsystem ctrlX Flow6D verspricht, erläutert Steffen Winkler, Vertriebsleiter der Business Unit Automation & Electrification Solutions bei Bosch Rexroth, im Interview.

Das Interview führte Nico Schröder, Korrespondent Beschaffung aktuell, Augsburg.

Beschaffung aktuell: Herr Winkler, auf welchem Funktionsprinzip basiert ctrlX Flow6D von Bosch Rexroth und wo sehen Sie die Abgrenzung zu Planarsystemen wie Beckhoffs XPlanar und B&Rs Acopos 6D, die bereits auf dem Markt sind?

Steffen Winkler: Im Vergleich zu Systemen, die rein auf Bestromung des Verfahrwegs und der im Mover befindlichen Magnete basieren, befinden sich in unserem System sowohl im Mover als auch im Verfahrweg Magnete. Das Wirkprinzip unterscheidet sich also in seinen Eigenschaften signifikant von den am Markt bekannten Systemen. ctrlX Flow6D ermöglicht durch sein völlig anderes Funktionsprinzip deutliche Vorteile in der Anwendung

Beschaffung aktuell: Welche Vorteile bringt dieses Prinzip – warum haben sie es gewählt?

Winkler: Die Mover werden bei unserem System auf einer horizontal, vertikal und überkopf orientierten Arbeitsfläche bewegt. Jeder Mover agiert in sechs Freiheitsgraden mit hoher Geschwindigkeit und Genauigkeit, ohne jegliche Reibung oder Verschmutzung. X-Y-Z-Bewegung, Kippen und Rotation sind beliebig miteinander kombinierbar. Beispielsweise kann ein Drehen und Kippen während der Fortbewegung erfolgen. Diese Variationen sind mit anderen Systemen so nicht ausführbar. Zudem bieten wir wesentlich größere Bewegungsbereiche wie 20 mm Schwebehöhe, 10° Kippwinkel und endlose Rotation an beliebigen Einsatzorten.

Beschaffung aktuell: Lassen sich die Mover funktional erweitern?

Winkler: Die Mover lassen sich aktiv betreiben. Das bedeutet, die Anwendenden können Mover mit Sensorik bestücken und zum Beispiel ein Produkt wiegen oder dessen Temperatur messen. Die Mover übertragen diese Daten natürlich auch. Auch können beispielsweise aktive Greifer, die etwas greifen und festhalten, installiert werden. Damit ergibt sich mit dem System ein riesiges Anwendungsfeld im Bereich der planaren Robotik. Wir bieten außerdem eine drahtlose Möglichkeit, die Batterie im Mover während der Bewegung aufzuladen.

Beschaffung aktuell: Für welche Traglasten eignet sich ctrlX Flow6D?

Winkler: Wir starten aktuell mit zwei Mover-Größen für bis zu drei beziehungsweise bis zu sechs Kilogramm. Für höhere Traglasten können Anwendende die Mover mechanisch koppeln. Prinzipiell sind aber auch Mover in anderen Größen, Formen oder Materialien realisierbar.

Beschaffung aktuell: Die marktbekannten Systeme haben bisher eine quadratische Form mit leicht abgerundeten Ecken. Wieso haben Sie ein rundes Mover-Design gewählt?

Winkler: Runde Mover können sich bis an Kanten bewegen und dort rotieren. Auch beim gekippten Rotieren auf der Fläche sind keine störenden Ecken im Weg. Über Adapterplatten können Anwendende aber auch andere Aufnahmeflächen umsetzen.

Vorteile des schwebenden Transportsystems von Bosch Rexroth

Beschaffung aktuell: Wie sieht es mit dem Energieverbrauch und der Wärmeentwicklung aus?

Winkler: Wir benötigen keine starke Bestromung und es entsteht kaum nennenswerte Erwärmung. Um die Mover an einer Stelle „schweben“ zu lassen, wird nahezu keine Energie benötigt. Der Vorteil, unabhängig von definierten „Stromleitungen“ zu sein, wird auch an dieser Stelle deutlich: Wir können alle Freiheitsgrade an jeder Stelle des Systems nutzen und es aufgrund des Wirkprinzips sicher vertikal und horizontal einsetzen. Selbst über Kopf kann das System frei schweben. Andere Systeme können das rein physikalisch ebenfalls. Wird allerdings die Stromzufuhr unterbrochen, würden die Mover herunterfallen. Bei unserem System gibt es einen Soft-Landing-Mechanismus.

Aufgrund der Magnetkräfte bleiben unsere Mover dann sicher an der Stelle stehen, an der sie sich befinden. Wird der Strom wieder zugeschaltet, starten sie wieder, ohne die Position zu verlieren. Selbst wenn man den Mover im ausgeschalteten Zustand ein Stück mit der Hand wegbewegen würde, erkennt er seine aktuelle Position und bewegt sich anschließend von dort aus korrekt weiter.

Beschaffung aktuell: Wie viele Mover lassen sich zusammen betreiben und wie lassen sie sich steuern?

Winkler: Es können so viele Mover zusammen genutzt werden wie auf einer aktiven Fläche Platz finden. Es gibt da keine echte Begrenzung. Bei der Erfassung der Absolutposition bewegen wir uns theoretisch im Bereich von Kilometern. Das verdeutlicht die Dimension beziehungsweise, dass es hier wenig Limitationen gibt. Durch die Einbindung von ctrlX Flow6D in den Automatisierungsbaukasten ctrlX Automation ergibt sich eine Gesamtlösung.

Erste Anwendungsfelder für das Transportsystem ctrlX Flow6D

Beschaffung aktuell: Wo sehen Sie erste Anwendungsfelder und einen starken Bedarf seitens Kunden?

Winkler: Erste Anwendungsfelder sehen wir vor allem in der Pharmaindustrie, Medizintechnik oder der Halbleiter-Fertigung. In diesen Bereichen geht es insbesondere um Themen wie Reinraum-Prozesse und hohe Hygieneanforderungen, also um möglichst wenig Partikeleintrag im Produktionsprozess. Aber auch Anwendungen in der Getränkeindustrie, bei denen man zum Beispiel häufig flexibel Produkte gruppieren muss, sind ein interessantes Anwendungsfeld. Der Dialog mit ersten Leitanwendern zeigt aber auch, dass das System weit über diese Branchen hinaus zum Einsatz kommen kann.

Beschaffung aktuell: Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand des Systems?

Winkler: Aktuell befinden wir uns in der Produktisierungs- beziehungsweise Serialisierungsphase. Das bedeutet, die Technologie ist grundsätzlich fertig entwickelt. Nun geht es darum, das System unter Serienbedingungen fertigen zu können. Dazu gehört aber auch die Anwendungsperspektive, das heißt Konfiguratoren und Simulatoren zu entwickeln, mithilfe derer sich das System auslegen, dimensionieren sowie einfach programmieren und nutzen lässt. Wir haben bereits eine Reihe von Leitkunden, die das System in nicht-produktiven Bereichen einsetzen und testen.

Markteinführung ctrlX Flow6D

Beschaffung aktuell: Ab wann ist der Einsatz im produktiven Umfeld geplant und ab wann wird das System verfügbar sein?

Winkler: Aktuell planen wir, ctrlX Flow6D in der zweiten Jahreshälfte 2024 am Markt anzubieten.

Beschaffung aktuell: Für wen ist ein solches Transportsystem kostenseitig interessant? Und an welcher Stelle rechnet es sich gegenüber herkömmlichen Systemen?

Winkler: Wenn Anwendende klassischer Transportsysteme ein Förderband nutzen und das für ihre Aufgabenstellung ausreicht, ergibt unsere Lösung wahrscheinlich wirtschaftlich keinen Sinn. Aber immer dann, wenn es um komplexe Anforderungen geht, also um mehr als nur Transport, wird unsere Lösung interessant: etwa für ein positioniergenaues Vereinzeln in der Anwendung oder wenn zusätzliche Prozessschritte auf der Wegstrecke erbracht werden müssen und gleichzeitig sehr hohe Anforderungen an die Prozesssicherheit bestehen. Auch wenn flächenmäßig eine sehr umfangreiche Anwendung angestrebt wird, ist ctrlX Flow6D unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Option.

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