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CBAM: K. O. für Unternehmen durch CO2?

CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM
EU-Klimazoll: K. O. durch CO₂?

EU-Klimazoll: K. O. durch CO₂?
Der EU-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) soll eine Flucht in außereuropäische Produktionen (Carbon Leakage) vermeiden. Bild: Olivier Le Moal - stock.adobe.com

Der neue CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der EU stellt Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Sie müssen über Umweltauswirkungen von importierten Rohstoffen und Waren aus Nicht-EU-Ländern Rechenschaft ablegen und zur Vermeidung finanzieller Nachteile die Dekarbonisierung ihrer Lieferketten vorantreiben. Dass die CBAM-Richtlinie, wie Kritiker bemängeln, mit der heißen Nadel gestrickt wurde, macht das Ganze nicht leichter.

Verschmutzungsrechte in der EU kosten Geld. Die CO2-Bepreisung führt dazu, dass Unternehmen höhere Kosten gegenüber Produzenten in anderen Ländern haben. Der CBAM soll diesen Wettbewerbsnachteil ausgleichen. Importeure müssen den CO2-Footprint importierter Güter dokumentieren und ab 2026 durch den Erwerb von Zertifikaten einen CO2-Preis entrichten (siehe Kasten). Dies gilt zunächst für Aluminium, Eisen und Stahl, Düngemittel, Zement, Strom und Wasserstoff. Nur noch zugelassene CBAM-Anmelder dürfen ab 2025 die betreffenden Produkte in die EU überhaupt einführen. Ab 2027 ist nach Aussagen der EU-Kommission mit einer ersten Erweiterung des Gesetzes auf Kunststoffe und chemische Erzeugnisse zu rechnen. Kürzlich hat der tschechische Umweltminister eine Anwendung auf Textilien und Dämmstoffe nach den Europawahlen ins Gespräch gebracht.

CBAM – der „Zoll“ auf CO2

Anders als vielfach angenommen, gilt der CBAM nicht nur für die für Primärindustrie, wie dies beim EU-Emissionshandel der Fall ist, sondern auch für verarbeitete Produkte. Zudem umfasst der CBAM neben CO2 weitere Treibhausgase wie Distickstoffoxid und perfluorierte Kohlenwasserstoffe, deren Klimawirkung in CO2-Äquivalente umzurechnen ist. Vom grünen Tisch zum grauen Alltag. Eine große Zahl von Unternehmen hat den ersten Abgabetermin ihres Berichts Ende Januar 2024 verpasst.

EDV-Probleme

„Viele IT-Tools sind noch fehlerhaft, oftmals ist auch der Umgang damit noch unklar“, resümiert Matthias Blum, Leiter der Abteilung Außenwirtschaft im Verband der Chemischen Industrie (VCI). Die Einführung sei überstürzt und mit unrealistischen Zeitplänen für Behörden und Unternehmen erfolgt. Die Deutsche Emissionshandelsstelle, die für die CBAM-Umsetzung in Deutschland zuständig ist, räumt „Software-Probleme und technische Schwierigkeiten bei der elektronischen Übermittlung“ ein und verspricht Besserung. Dass für „Allerweltswaren“ ab einem Wert von 150 Euro jedes Quartal fast 300 Datenfelder auszufüllen seien, ist aus Sicht der Deutschen Industrie- und Handelskammer ein Extrembeispiel überbordender Bürokratie und überfordere viele Unternehmen organisatorisch.

Führt CO2 zum administrativen K. O.? Jedenfalls hinke die deutsche Verwaltung bei der Umsetzung hinterher und unterstütze Unternehmen bisher wenig, um Klarheit in die Regulatorik zu bringen, ergänzt eine Sprecherin der Bauindustrie. Dafür bleiben gerade einmal acht Monate. Aber auch die Unternehmen sind gefordert. „Es kommt darauf an, effiziente Prozesse zu etablieren und zu justieren“, so Lars-Peter Häfele, Geschäftsführer von Inverto am Standort München, der auf Einkauf und Supply-Chain-Management spezialisierten Tochtergesellschaft der Boston Consulting Group. Dies vor allem in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Lieferanten. Eine Harmonisierung der Systeme zur Datenerhebung und -verarbeitung und schließlich auch zur Abbildung im Finanzmanagement sei essenziell. Mit Excel allein sei das Ganze nicht mehr zu bewältigen.

Finanzielle Folgen

Denn „das Ganze“ besteht nicht nur in der Anforderung und Zusammenstellung von Daten darüber, welche unter den Geltungsbereich der CBAM fallenden Waren und deren Mengen von Nicht-EU-Herstellern importiert werden. Darauf basierend sollten Unternehmen bereits jetzt anhand verfügbarer Standardwerte vorläufige finanzielle Folgenabschätzungen erarbeiten. Da immer mehr lieferantenspezifische Emissionsdaten erhoben werden, können Unternehmen diese Analyse schrittweise verfeinern und auf dieser Grundlage eine Strategie entwickeln, um die finanziellen Auswirkungen der CBAM-Verordnung zu verringern.

Lars-Peter Häfele: „Eine Strategie könnte darin bestehen, Lieferanten zu CO2-ärmerer Produktion aufzufordern. Die in CBAM-Waren eingebetteten Emissionen würden verringert und die Ausgleichszahlungen gesenkt. Das ist allerdings nur dann möglich, wenn der Kunde eine wichtige Rolle für den Lieferanten spielt. Ist das nicht der Fall, können Unternehmen zu Lieferanten innerhalb oder außerhalb der EU wechseln, die mit geringeren Emissionen produzieren.“

„Größere Unternehmen konnten in den letzten Monaten Strukturen aufbauen, mit denen die CBAM-Anforderungen einigermaßen bewältigt werden können – unter hohem Aufwand und mit den beschriebenen Problemen“, so Matthias Blum vom VCI. Mittelständische Unternehmen dürften größere Umsetzungsschwierigkeiten haben. Der CBAM sei ein Beispiel dafür, dass bei Gesetzgebungen nicht ausreichend auf die Umsetzbarkeit auch in kleinen Betrieben geachtet werde, sagt Freya Lemcke, Leiterin der DIHK-Vertretung bei der EU.

Indes dürfe der CBAM nicht isoliert als reine „Zollangelegenheit“ betrachtet werden, so Lars-Peter Häfele von Inverto. Die Dokumentation von CO2-Footprints und deren sukzessive Eindämmung sei eines der wichtigsten Elemente der Dekarbonisierung, etwa bei den zu erbringenden Reports zu Scope-3-Emissionen, und Lieferkettentransparenz damit in jeder Beziehung erfolgskritisch. Schließlich will die gesamte EU ab 2045 CO2-neutral sein.

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Die CBAM-Timeline
Mai 2023
Inkrafttreten der EU-Verordnung der 2023/956 (CBAM-Verordnung)

01.10.2023
Beginn der zweijährigen Übergangsphase. Importeure von industriellen Grundstoffen und Waren müssen über die in diesen Produkten eingebetteten Emissionen quartalsweise in einem auf dem CBAM-Portal der EU einzureichenden Bericht dokumentieren. Finanzielle Verpflichtungen bestehen zurzeit noch nicht.

2025
Ohne Registrierung als zugelassener CBAM-Anmelder dürfen keine CBAM-Waren mehr in die EU eingeführt werden. Die Zulassung hängt auch von der wirtschaftlichen Zuverlässigkeit des Unternehmens ab. Zudem drohen Strafen in Höhe von bis zu 50 Euro pro nicht oder falsch gemeldeter Tonne CO₂.

2026
Beginn der Regelphase. Zunächst sind nur 2,5 Prozent der Zertifikate kostenpflichtig. Die Kurve steigt exponentiell, bis es 2034 keine kostenfreien Zertifikate mehr geben wird. Die Importeure zahlen schrittweise für das eingebettete CO₂ bzw. die weiteren in CO₂-Äquivalente (CO2e) ungerechneten Treibhausgase. Und zwar in dem Maße, wie die europäischen Produzenten für die zurzeit noch überwiegend kostenlosen Zertifikate ebenfalls zu zahlen beginnen. Ausgenommen sind Einfuhren aus Ländern, die an dem EU-ETS teilnehmen oder mit ihm verbunden sind. Falls im Exportland bereits eine CO₂-Bepreisung existiert und gezahlt wurde, wird dieser Betrag vom EU-Zoll abgezogen.

Der Autor: Manfred Godek, Journalist

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