Es kommt Bewegung in die Sache. Alternative Antriebe sind inzwischen keine Zukunftsmusik mehr, sondern in Politik und Industrie gefordert und gefördert. Dabei denken viele sofort an den E-Antrieb. Doch dieser kommt mit Einschränkungen wie die geringe Reichweite und lange Ladezeiten. Diese Eigenschaften machen den E-Antrieb für manche Anwendungen nicht besonders praktikabel. In einigen Bereichen kristallisiert sich die Wasserstoff-Brennstoffzelle als Alternative heraus.
Seit 2007 gibt es für diese Technologie ein Förderprogramm, das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP). Dieses Projekt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur unterstützt Industrie und Forschungseinrichtungen mit staatlichen Fördergeldern, um alternative Antriebstechnologien im Bereich der Mobilität voranzutreiben. Mit der Koordinierung ist die NOW GmbH (Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie), für die konkrete Umsetzung der Projektträger Jülich betraut. Elena Hof, Programmleiterin des NIP bei der NOW GmbH, erklärt die Schwerpunkte ihrer Arbeit: „Wir betreiben Förderung für Forschungs- und Entwicklungsprojekte, Fahrzeugbeschaffung und Infrastrukturausbau. Wir beraten die Ministerien und empfehlen, welche Projekte gefördert werden sollen, wann und wie Fördergelder ausgeschrieben werden und betreiben Netzwerkarbeit.“ Die Förderung erfolgt mit Quoten, sodass ein Prozentsatz der Ausgaben übernommen wird.
Die Anwendungen für Wasserstoff-Brennstoffzellen in der Mobilität sind vielseitig: Nicht nur Pkws, auch Flurförderzeuge, Flugzeuge, Schiffe und schwere Nutzfahrzeuge (wie Lkws oder Busse) können von der Technologie profitieren. Bei Flugzeugen und Schiffen könnten Brennstoffzellen für die On-Board-Stromversorgung, aber auch für die Antriebe selbst eingesetzt werden. Hof ergänzt: „Politisch besteht vor allem Einigkeit hinsichtlich der Nutzung von Wasserstoff im Nutzfahrzeugsegment, also im Langstrecken-Straßengüterverkehr.“ Inzwischen gehen die Förderprogramme des BMVI, die über die NOW koordiniert werden, über das Themengebiet Wasserstoff-Brennstoffzelle hinaus und beschäftigen sich auch mit Themen wie Batteriemobilität, Ladeinfrastruktur, und weiteren Antrieben und Kraftstoffen.
Das NIP befindet sich in der zweiten Phase. In der ersten Phase standen die Forschung und Entwicklung von Technologien im Vordergrund. Diese ist noch immer wichtig, so Hof, aber nun gehe es auch um die Markteinführung. Sie sagt: „Die Technologie ist marktreif. Jetzt müssen wir die Komponentenherstellung und die Fahrzeugproduktion hochskalieren.“ Die Nachfrage der Unternehmen sei dabei weniger das Problem, auch wenn Fahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen noch sehr teuer sind. Vielmehr fehlt es an Anbietern von Komponenten und Fahrzeugen.
Hof schätzt, dass große Automobilhersteller im Nutzfahrzeugsegment die ersten Serien erst im Jahr 2025 anbieten können. Deshalb haben es sich einige Unternehmen, wie Clean Logistics (siehe nächste Seite) auf die Fahne geschrieben, Fahrzeuge umzurüsten. Hof sagt: „Die Umrüstung herkömmlicher Nutzfahrzeuge mit alternativen Antrieben ist ein Feld, in dem wir im Moment viele neue Akteure sehen.“
Wie ernst es der Politik mit den alternativen Antrieben ist, zeigt sich an der Nationalen Wasserstoffstrategie, die die Bundesregierung im Sommer 2020 verabschiedet hat. Neben der Mobilität werden hier auch Maßnahmen etwa für die Wasserstofferzeugung oder den Wasserstoffeinsatz in der Stahlproduktion angesprochen. Der Fokus der 38 Maßnahmen liegt im Mobilitätsbereich auf der Skalierung der Brennstoffzellen-Stack-Produktion, dem öffentlichen Nahverkehr und dem Nutzfahrzeugsegment. Hof erklärt den Zusammenhang der Strategie und des NIP: „Das NIP existierte lange vor der Strategie und ist sehr breit aufgestellt. Es ist nun aber auch eines von mehreren Förderprogrammen, um die nationale Wasserstoffstrategie umzusetzen.“
Durch die nationale Strategie kommen weitere andere Förderprogramme dazu, vor allem für die Fahrzeugbeschaffung, die im Moment, so Hof, noch nicht klar abgegrenzt sind. Zwei technologieübergreifende Richtlinien für die Beschaffungsförderung im öffentlichen Nahverkehr und Nutzfahrzeugsegmente liegen gerade in Brüssel zur Notifizierung, da die Bundesregierung hier höhere Förderquoten ansetzen will, als sie im EU-Förderrecht grundsätzlich verankert sind. Momentan werden die Mehrkosten für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben mit einer Förderquote von 40 bis 60 Prozent unterstützt (kommunale Träger in hoheitlicher Aufgabe erhalten bis zu 90 Prozent). Hof sagt zu dem Entwurf: „Wir sehen einen großen Bedarf, über die 40 bis 60 Prozent hinauszugehen, um die Beschaffung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben für die Betreiber erschwinglicher zu machen.“
Andere Länder sind bei der Ausrollung von Wasserstoff-Brennstoff-Fahrzeugen schon weiter. In der Schweiz sind die ersten Lkws des Herstellers Hyundai unterwegs, auch China ist bei der Ausrollung vorne mit dabei. Hof sagt: „In gewissen Themenbereichen sind wir Vorreiter, in anderen nicht. Die Wasserstoffinfrastruktur ist in Deutschland sehr fortgeschritten: wir haben in Deutschland schon circa 90 Tankstellen umsetzen können. Wo es schlechter aussieht, ist die Fahrzeugverfügbarkeit. Wir haben noch nicht mal 1000 Brennstoffzellen-Pkw auf der Straße, und auch noch keine Nutzfahrzeuge wie etwa Lkws.“ Für die Zukunft sieht Hof eine Mischung aus verschiedenen Antrieben: „Eine perfekte Technologie gibt es nicht. Wir schicken verschiedene Technologien auf den Weg und am Ende muss der Kunde entscheiden.“
Die Autorin
Sanja Döttling, Redakteurin Beschaffung aktuell