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Elektrische Lkw erobern die Straßen

E-Logistik im Fernverkehr und auf der letzten Meile
Elektrische Lkw erobern die Straßen

Die Zeichen stehen auf Strom: Strengere CO2-Vorschriften der EU, Verbotszonen für den Lieferverkehr und staatliche Förderprogramme sorgen dafür, dass immer mehr elektrisch betriebene Lkw zum Einsatz kommen – zumindest testweise.

Seit Anfang 2019 sind E-Lkw von der Maut befreit. Darüber hinaus fördert die Bundesregierung jedes neue Akku-Transportfahrzeug mit bis zu 40.000 Euro. Damit soll der Einsatz umweltbewusster Lkw spürbar gesteigert und gleichzeitig die Emissionen gesenkt werden. Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, die deutschen Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu mindern. In diesem Zeitraum hat sich aber der Straßengüterverkehr nahezu verdoppelt. Zwar sind in den letzten zwanzig Jahren die kilometerbezogenen Kohlendioxid-Emissionen pro Lkw im Schnitt um rund ein Drittel gefallen, die Schwefeldioxid-Emissionen sogar um mehr als 99 Prozent. Allerdings sind heute insgesamt mehr Lkw unterwegs und damit stiegen die absoluten Kohlendioxid-Emissionen im Straßengüterverkehr seit 1995 unter dem Strich um 22 Prozent. Nach Angaben des Umweltbundesamtes blasen sie jährlich 47,9 Mio. t Kohlendioxid in die Umwelt.

Daran wird sich beim Festhalten an Verbrennermotoren langfristig nichts ändern. Im White Paper „Die Evolution der leichten Nutzfahrzeuge im urbanen Raum“ skizziert die international besetzte Jury der Auszeichnung „Van of the Year“ ihre Trends und Prognosen rund um den zukünftigen Einsatz von Transportern im Lieferverkehr. Der Diesel spielt nach Einschätzung der Jury dabei keine dominante Rolle mehr. Sie hält eine weitere spürbare Senkung der Emissionswerte gerade im Kurzstreckenbetrieb für unwahrscheinlich – Motoroptimierungen und/oder Gewichts-reduzierungen seien weitgehend ausgereizt. Als Alternative kämen laut der Experten-runde vor allem alternative Antriebskonzepte infrage – zum Beispiel Wasserstoff oder Brennstoffzelle. Aber selbst die großen Nutzfahrzeugmarken räumen ein, dass es vor 2030 wohl kein Serienmodell auf Basis dieser Technologien geben wird.

Grüner und leiser

Deutlich weiter sind die Lkw-Hersteller im Bereich Elektrofahrzeuge. Diese bieten gleich mehrere Vorteile: zum Beispiel keinen CO2-Ausstoß – zumindest wenn grüner Strom geladen wird. Zweitens können die leisen Elektro-Lkw antizyklisch eingesetzt werden, um die Verkehrsdichte tagsüber zu reduzieren. Aus diesem Grund sind bereits zahlreiche Müllautos mit Elektroantrieb unterwegs. Drittens erzeugen die Stromer weniger Feinstaub durch Bremsvorgänge. Gebremst werden E-Motoren, indem die überschüssige Bewegungsenergie in elektrische Energie umgewandelt und in den Batterien gespeichert wird. Und nicht zuletzt gelten für E-Transporter zumindest mancherorts die Zufahrtsbeschränkungen nicht. So dürfen beispielsweise in Essen Fußgänger-zonen nur zwischen 22 Uhr und 11 morgens befahren werden; E-Transporter dürfen dagegen bis 13 Uhr vorfahren.

Diesen Vorteilen stehen allerdings konkrete Nachteile gegenüber. Da wären zum einen die Investitionskosten. Aktuell kostet ein Actros 1845 mit handelsüblicher Fernverkehrsausstattung rund 100.000 Euro. Zu den Kosten der Elektro-Variante schweigt sich die Daimler AG noch aus, Marktbeobachter erwarten allerdings einen sehr deutlichen Aufschlag bis hin zur Verdopplung der Kaufsumme.

Zum Zweiten ist die Ladeinfrastruktur im professionellen Logistikbereich noch dünner als diejenige für Pkw. Von den bundesweit 16.100 Ladesäulen waren Anfang 2019 gerade einmal 25 Stück für E-Lkw geeignet – sprich hatten eine Ladeleistung von 150 kW. Ausschließlich für Elektro-Lkw installierte Schnellladesäulen gibt es in ganz Europa ganze drei. Und nicht zuletzt limitiert natürlich die Reichweite die Einsatzbereiche. Bisher sind E-Lkw im Werksverkehr bzw. auf der letzten Meile unterwegs. Der Grund: Je mehr Reichweite eine Batterie ermöglicht, desto größer und schwerer muss sie sein. Rechnet man die bisherigen technischen Lösungen hoch, müsste ein Akku nach dem heutigen Stand der Technik für 1000 km Fahrleistung mehr als zehn Tonnen wiegen – und die fehlen dann wiederum bei der Ladung. Vorreiter ist einmal mehr Tesla, zumindest was Vorankündigungen betrifft. Ende des Jahres sollen die ersten Tesla-Zugmaschinen ausgeliefert werden – mit einem Jahr Verspätung. Die Basisversion des 40-Tonners Tesla Semi-Trucks soll vollbeladen eine Reichweite von bis zu 480 km erreichen, für die Top-Version werden über 800 km in Aussicht gestellt. Ein Supercharger lädt den Akku in einer halben Stunde halbvoll, verspricht Elon Musk. Der eActros von Daimler ist dagegen schon im realen Betrieb unterwegs. Er hat seine Praxistauglichkeit bereits bei mehreren Flotten-betreibern aus unterschiedlichen Marktsegmenten bewiesen.

Zukunftsmusik versus real existierende Lkw

Mercedes-Benz Trucks hat bereits seit Ende 2018 zehn 18- und 25-Tonner an Kunden in Deutschland und in der Schweiz geliefert. Die sogenannte „Innovationsflotte“ soll Möglichkeiten und Grenzen von E-Logistik ausloten, die daraus gewonnenen Testergebnisse fließen aktuell in die Serienentwicklung des eActros ein. Stand heute steht fest: Für die Langstrecke ist der eActros (noch) keine Alternative. Die Planungen verweisen vor allem auf den Werksverkehr und die letzte Meile bei der Belieferung von Privatkunden und Unternehmen. So versorgt Pfenning logistics seit Mitte 2019 mit einem elektrischen 25-Tonner eActros das Mercedes-Benz Werk Mannheim mit Komponenten und Ersatzteilen. Der Lkw legt im Zwei-Schicht-Betrieb bei einer theoretischen Reichweite von 200 km täglich rund 160 km zurück. Die Akkus werden abends im Außenlager aufgeladen. Im Bereich der mittleren Lkw hat Daimler Trucks in Zusammenarbeit mit Mitsubishi den Fuso eCanter entwickelt – zuerst für den asiatischen Markt. Dort bewährt sich der Kleinlaster mit einer Nutzlast von 4,5 t dank seiner kompakten Abmessungen und seiner Wendigkeit in den teils engen Straßen der asiatischen Städte. Die Daimler-Tochter Fuso war der erste global agierende Hersteller, der einen vollelektrischen Lkw in Serie produzierte – in Japan und in Portugal. In Europa ist zum Beispiel Schenker bereits mit dem eCanter unterwegs.

Auch Volkswagen will in absehbarer Zeit einen elektrisch angetriebenen Serien-Lkw auf die Straße bringen. Dafür soll die zum Wolfsburger Konzern gehörende Tochter Traton bis 2025 mehr als eine Milliarde Euro in die Entwicklung von E-Antrieben stecken. Eine weitere Milliarde wird in die Digitalisierung und Vernetzung von Fahrzeugen fließen. Die Ziele sind hochgesteckt: „Wir wollen führender Hersteller von E-Lkw und E-Bussen werden“, meint Vorstandschef Andreas Renschler. Zu Traton gehören die Marken MAN und Scania, die gemeinsam in Sachen E-Mobilität investieren. „Wir wissen, dass wir angesichts der anstehenden Herausforderungen stärker sind, wenn wir unsere Kräfte bündeln“, umschreibt MAN-Chef Drees die gemeinsamen Ziele. Dabei soll sich Scania bei der Entwicklung neuer Antriebs-Generationen auf die größeren Motoren und Getriebe konzentrieren, während sich MAN auf mittelgroße und kleinere Motoren sowie die Achsen fokussiert. „Wie das Fahrzeug dann aber schaltet, wie es sich für den Fahrer anfühlt, das wird unterschiedlich sein. Das regeln Software und Hardware. So können wir uns unterscheiden und dennoch die gleichen Plattformen verwenden“, ist sich Drees sicher. Auch MAN hat bereits erste E-Trucks an Testkunden ausgeliefert.

Die letzte Meile endet an der Haustür

Wesentlich häufiger sind elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge bisher allerdings bei der Auslieferung auf der letzten Meile. Hier fällt der Nachteil der begrenzten Reichweite nicht so sehr ins Gewicht wie im Fernverkehr. Federführend sind hier auf Kundenseite Logistikunternehmen wie DHL, UPS oder Hermes. Dazu kommen die großen Online-Händler, die naturgemäß auch ein Interesse an sauberen Warenflüssen haben – wie zum Beispiel Amazon und Zalando.

Praxistests haben belegt, dass im täglichen Lieferverkehr die Reichweite eines eActros oder eCanters ausreicht – unabhängig von Zuladung, Topografie und Klima. Was die Testfahrer besonders beeindruckt hat, waren die durchgängige Verfügbarkeit des Drehmoments über den gesamten Geschwindigkeitsbereich, die leise Fahrweise sowie ein entspanntes Fahrgefühl. Bereits seit Mitte 2018 kooperieren Amazon und Mercedes-Benz, um gemeinsam die Zustellung innerhalb von Großstädten umweltschonender zu gestalten. Der Versandhändler hat deshalb bereits mehr als 100 eVitos im Einsatz, die im Alltagseinsatz 150 km zurücklegen können – genug für eine Tagesschicht. Aufgeladen sind sie in sechs Stunden. Zalando wiederum setzt zumindest im Großraum München ganz auf Elektroautos und hat die Dieseltransporter im bayrischen Auslieferungslager durch 23 Elektrotransporter der Marke eVito ersetzt.

Überzeugend für Umwelt und Bilanz

Sicherlich spielen hier auch die Kosten eine gewichtige Rolle. Gerade auf Kurzstrecken rechnen sich im innerstädtischen Lieferverkehr elektrifizierte Nutzfahrzeuge aufgrund der niedrigen Betriebskosten bereits gegenüber dem Diesel. Das soll laut einer Studie des Fraunhofer IAO zukünftig auch für den Schwerlastverkehr gelten. Dazu müssten allerdings die Batteriekosten wie prognostiziert fallen. Selbst bei höheren Anschaffungskosten ist deshalb laut den Studienmachern in absehbarer Zeit von einem wirtschaftlichen Betrieb von E-Lkw auszugehen.


Michael Grupp, freier Journalist in Stuttgart

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