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Emissionsfreie Lkws fahren mit Wasserstoff

Umrüstung von Diesel-Lkws zu wasserstoffgetriebenen Brennstoffzellenfahrzeugen
Emissionsfreie Lkws fahren mit Wasserstoff

Bei schweren Nutzfahrzeugen kommt man mit einem elektrischen Antrieb nicht weit. Aber die Brennstoffzellen-Technologie mit Wasserstoff als Kraftstoff kann einiges leisten. Das dachten sich auch die Gründer des Start-ups Clean Logistics, das bestehende Lkws mit der neuen Technologie ausstatten und so eine Alternative zu fossilen Brennstoffen schaffen will. Eine grüne Zukunftsvision mit viel Potenzial für die Logistik.

Dirk Lehmann von der Höpen GmbH und Dirk Graszt von der Hary AG hatten eine Idee. „Sie wollten schwere Nutzfahrzeuge auf, CO2-neutrale, klimafreundliche Antriebe umrüsten“, erklärt Markus Körner, Service- und Vertriebsleiter bei Clean Logistics. Die Technologie, die ihnen dabei am innovativsten erschien, war die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle. Sie stellten ihre Idee bei einigen Fahrzeugherstellern vor, doch diese zeigten wenig Interesse. Körner kommentiert: „Deutsche Automobilhersteller haben es versäumt, die Brennstoffzellen-Technologie voranzutreiben und sie nicht ernst genommen.“ Andere Länder haben hier einen großen Entwicklungsvorsprung, zum Beispiel China. Deutschland muss viel nachholen. Doch die beiden Männer gaben nicht auf und gründeten, nach dem Motto „Selbst ist der Mann“ das Start-up Clean Logistics.

Wie man einen Lkw emissionsfrei macht

Clean Logistics konzentriert sich darauf, bestehende Fahrzeuge mit einem Dieselantrieb zu ein Batterie-Brennstoffzellen-System mit Wasserstoff als Kraftstoff umzubauen. „Wir sagen je größer die Fahrzeugleistung sein muss, umso mehr macht Wasserstoff Sinn“, so Körner. Dann erklärt er, wie der Umbau vonstatten geht: „Wir bauen alle Komponenten, die mit fossilen Brennstoffen zu tun haben, aus. Dann ersetzen wir sie durch elektrische Antriebseinheiten.“ Im Detail werden folgende Komponenten eingebaut: Speichertank, die Brennstoffzellen, Batteriemodul und elektrische Motoren.

Der Speichertank sitzt an der Rückwand der Fahrerkabine und besteht aus sechs Typ-III-Flaschen mit 350 bar. Insgesamt kann ein Lkw 43 kg Wasserstoff fassen. Der Wasserstoff reicht für eine Strecke von 400 bis 500 km, je nach Topografie, Ladung und Fahrstil, und damit sehr viel weiter als ein E-Antrieb.

In der Brennstoffzelle wird der Wasserstoff in Strom umgewandelt, gleichzeitig entsteht Wärme. Das Abfallprodukt ist Wasserdampf. Refire, ein Hersteller aus China, baut die Brennstoffzellen für Clean Logistics. Die Brennstoffzellenbeschaffung ist ein Nadelöhr, da es nicht viele Anbieter gibt: außer Refire sind Toyota, Hyundai und das kanadische Unternehmen Ballard Power zwei der wenigen Adressen. Auch Bosch hat erklärt, in das Geschäft einsteigen zu wollen.

Der Strom fließt von der Brennstoffzelle in die Batterie. Körner klärt auf: „Mache Leute glauben, dass ein Brennstoffzellenfahrzeug keine Batterie hat. Das stimmt aber nicht. Ein Fuel Cell Electric Vehicle (FCEV), wie wir es nennen, ist auch immer ein elektrisches Auto“. Der Unterschied zu einem E-Fahrzeug ist allerdings, dass der Strom nicht von außen geladen werden muss, sondern in der Brennstoffzelle entsteht.

Clean Logistics verbaut in den Lkws eine Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie, die nicht brennbar ist. Die Zellen der Batterie werden ebenfalls in China produziert, die Montage des Moduls übernimmt die Schwestergesellschaft Ecap.

Die eigentlichen Radnabenmotoren sitzen auf der Achse der hinteren Räder. Körner sagt stolz: „Die Achsbrücke zwischen den beiden elektrischen Radnabenmotoren wurde eigens für uns entwickelt.“ Die Motoren sind sogenannte Permanent-Synchron-Motoren. „Das heißt, wenn kein Gas gegeben wird, dann werden aus den Motoren Generatoren, die Strom erzeugen“, so Körner. Der Strom wird dann in die Batterie zurückgeleitet.

Wie es weitergehen soll

Leider hat Clean Logistics durch die Corona-Krise einige Verzögerungen in der Entwicklung hinnehmen müssen. Der Plan ist im Moment, im Jahr 2021 die ersten fünf Lkw-Prototypen fertigzustellen. Die Prototypen werden von Ecap produziert. Das Bundesverkehrsministerium unterstützt die Entwicklung der Prototypen und übernimmt mit 3,3 Mio. Euro die Hälfte der Kosten. Die beiden Fahrzeugmodelle, die zuerst in Angriff genommen werden, sind der DAF XF und der Mercedes Actros.

Läuft alles gut, soll die Serienproduktion, also der Umbau von Kundenfahrzeugen, Anfang 2022 beginnen. Dazu will Clean Logistics ein Netzwerk an Outsourcingpartnern aufbauen, die den Umbau durchführen. Körner erklärt: „Für den Rollout suchen wir bundesweit Fahrzeugbauer einer gewissen Größe und Leistungsfähigkeit, die sich von uns zertifizieren lassen wollen, sodass sie im Kundenauftrag die Fahrzeuge umrüsten können.“ Der Partner sollte mindestens zehn Fahrzeuge in einem sechswöchigen Zeitraum fertigstellen können. Die Partner sollen auch den Service für die Fahrzeuge übernehmen, weshalb das flächendeckende Netzwerk so wichtig ist.

Die Busse sind dagegen über die Prototypen-Phase hinaus. Clean Logistics baut gerade zwei Mercedes Citaro für die Uckermärkische Verkehrsgesellschaft in Schwedt/Oder um. Sie werden Mitte des Jahres ausgeliefert. Dennoch: die Nachfrage, auch nach Lkws, ist bereits groß.

Wie viel ein Umbau kostet

Die Anschaffungskosten für einen herkömmlichen Lkw liegen bei 100.000 Euro, nach vier Jahren sind sie etwa 50.000 Euro wert. Die Umrüstungskosten für ein Fahrzeug liegen bei Clean Logistics bei 500.000 Euro. Körner glaubt, dass die Preise für die Komponenten, die 80 Prozent der Umrüstungskosten ausmachen, durch größeren Wettbewerb und höhere Kapazitäten in der Herstellung fallen werden. Der Gesamtpreis von circa 550.000 Euro wird durch nationale Förderprogramme unterstützt; im Moment mit 40 bis 60 Prozent. Körner hofft, dass der Antrag auf eine Förderung von 80 Prozent, der gerade bei der EU in Brüssel liegt, akzeptiert wird.

Auch bei den Unterhaltskosten ist der neue Lkw nicht billig: Auf 100 Kilometer muss man für 80 Euro Wasserstoff tanken; beim Diesel kostet die gleiche Strecke 30 Euro. Doch es gilt zu beachten, dass dies eine Momentaufnahme ist. So hat die Politik angedeutet, dass grüner Wasserstoff aus der EEG-Umlage fallen und sich vergünstigen könnte. Wird mehr Wasserstoff produziert, senkt sich dessen Preis weiter. Gleichzeitig wird diskutiert, den Preis für Diesel durch Steuern und erhöhte Straßenbenutzungsgebühren (Maut) zu verteuern. „Wann die Schere zugeht, wissen wir nicht“, so Körner.

Tankstellen und Lkws sind wie Huhn und Ei

Ein weiterer Grund, warum der Wasserstoffantrieb für schwere Nutzfahrzeuge so attraktiv ist, ist die kurze Tankdauer von 20 Minuten, verglichen zu langen Ladezeiten von E-Antrieben. Woran es allerdings noch mangelt, ist die Trankstellen-Infrastruktur. Die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung hat für solche Infrastrukturprojekte jüngst vier Mrd. Euro angesetzt.

Körner wird philosophisch: „Mit den Tankstellen und den Fahrzeugen ist es wie mit dem Huhn und dem Ei. Wir können 2022 Lkws in Serie umrüsten. Eine Trankstelle zu bauen dauert gut anderthalb Jahre. Ich empfehle Unternehmen mit Interesse an einer Brennstoffzellenflotte, jetzt schon über eine eigene Tankstelle nachzudenken. Man muss die Sache parallel angehen: man muss den Wasserstoff haben, die Tankstelle und die Lkws.“

Man kann gespannt sein, was die Zukunft bringt. Es kann gut sein, dass das Streben nach einer emissionsfreien Logistik in Deutschland nicht etwa in den bekannten Autohochburgen, sondern im Winsen bei Hamburg seinen Anfang genommen hat.


Kurzvorstellung

Clean Logistics GmbH

Clean Logistics wurde 2018 als Start-up gegründet und sitzt bei Hamburg. Ziel ist es, schwere Nutzfahrzeuge wie Busse und Lkws auf einen wasserstoffbasierten Antrieb umzurüsten. Die Stakeholder des jungen Unternehmens sind die Familienholding Höpen GmbH, von Geschäftsführer Dirk Lehmann vertreten, und die Hary AG mit Dirk Graszt als Geschäftsführer. Zu Höpen gehört auch das Unternehmen Ecap. Es rüstet individuelle Fahrzeuge wie Traktoren, Baumaschinen und Pkws auf Elektroantriebe um. Ecap hilft Clean Logistics bei der Projektierung und Entwicklung der ersten Nutzfahrzeuge mit einem Brennstoffzellen-Batterie-Antrieb auf Wasserstoffbasis.


Die Autorin

Sanja Döttling, Redakteurin Beschaffung aktuell

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