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Michael Späth, Elsen-Gruppe, im Interview

Michael Späth, Vice President Lean Research & Digital Development, Elsen-Gruppe
„Flexibilität ist bei fehlender Transparenz eine Mammut-Aufgabe“

„Flexibilität ist bei fehlender Transparenz eine Mammut-Aufgabe“
Als Vice President Lean Research & Digital Development ist Michael Späth innerhalb der Elsen-Gruppe mitverantwortlich für die Bereiche Digitalisierung und Beratung. Bild: Elsen

Michael Späth ist als Vice President Lean Research & Digital Development innerhalb der Elsen-Gruppe mitverantwortlich für die Bereiche Digitalisierung und Beratung. Seine Perspektive auf Supply-Chain-Strukturen der Kunden, die Potenziale von IT und Digitalisierung und was es mit dem „Disconnect“ zwischen der operativen und der dispositiven Kette auf sich hat, erklärt er im Interview.

Beschaffung aktuell: Als Full-Service-Logistikdienstleister bietet die Elsen-Gruppe eigenen Angaben zufolge Dienstleistungen entlang der gesamten Supply Chain an. Wie nehmen Sie die wirtschaftliche Lage über Ihre Geschäftsbereiche hinweg wahr?

Michael Späth: Tatsächlich macht sich die wirtschaftliche Situation in all unseren Business Units bemerkbar. Unsere Transportsparte erhält Anfragen für Sonderfrachten, während unsere operative Logistiksparte von Neu- und Bestandskunden bezüglich Lagerfläche kontaktiert wird. In unserer Personaldienstleistung ist es insofern spürbar, als dass Unternehmen entweder händeringend nach Personal suchen oder die Kunden aufgrund von Auftragsschwankungen reihenweise Personal abmelden.

Lassen sich die Probleme, die Sie bei Kunden sehen, verallgemeinern?

Späth: Die Ursache liegt meist in einem „Disconnect“ zwischen der operativen und der dispositiven Kette begründet. Unternehmen betreiben oft Symptombekämpfung. Und das Symptom ist beispielsweise ein sehr hoher Lagerbestand. Es gibt entweder zu wenig Material und damit einhergehend einen Stillstand in der Produktion oder zu viel Material und somit Überreichweiten – beides beobachten wir bei unseren Kunden. Letzteres kann man sich so vorstellen, dass tatsächlich die Gänge im Lager mit Paletten vollstehen – es gleicht einem Irrgarten. Das erschwert natürlich auch die Arbeitssicherheit. Der Kunde weiß nicht, wie und wo er sein Material unterbringen soll. Das führt dazu, dass Logistikunternehmen wie unsereins eine Anfrage erhalten: 100 Stellplätze, am besten ab sofort, aber nur für drei bis sechs Monate, um ein Beispiel zu nennen. Auf unsere Frage nach dem ,Warum?‘ erhalten wir oft die Antwort „Weil unsere Fertigung aus allen Nähten platzt“. Das ist zwar ein spannendes Symptom, aber die Ursache ist eine andere.

Wenn wir im Rahmen unseres Logistik-Check-Ups erste Analysen fahren und von der operativen in die dispositive Ebene springen, wird schnell deutlich, dass der Kunde wenig Transparenz in seinen Prozessen hat. Eine Aussage darüber zu treffen, wie viel Ware bestellt ist, wo sich diese befindet usw. ist nicht möglich. Mit diesem Mangel an Transparenz lässt sich nicht rechtzeitig auf Veränderungen reagieren. Der Teufel liegt auch hier im Detail: Je nach Produkt sind Stücklisten sehr lang und reichen von großvolumigen, teuren Teilen, also A-Teilen, bis hin zu C-Teilen, meist Kleinteilen. Wenn eines dieser Teile jedoch fehlt, kann nicht montiert werden. Solche Symptome lassen sich auch wieder auf den Disconnect zwischen der dispositiven Kette und der operativen Kette zurückführen. In vielen Fällen wird der wichtige Aspekt des Volumens (=Flächenbedarf) heutzutage immer noch nicht im IT-System (ERP) abgebildet, obwohl das neben der ABC-Klassifizierung ein weiterer sehr wichtiger Aspekt ist. Gutes Beispiel dafür ist auch das aktuelle Problem des „Chipmangels“.

Wie sieht Ihr Ansatz aus, um Unternehmen aus dem Dilemma zu helfen?

Späth: Es gilt, Unternehmen für die Wechselwirkung zwischen fehlender Transparenz auf der einen und Störungen in der Lieferkette auf der anderen Seite zu sensibilisieren. Egal, ob die Schwankungen durch disruptive Lieferketten oder extrem volatile Kundenbedarfe bedingt sind. Ersteres trifft die Automobilzulieferindustrie besonders stark, Stichwort Chipmangel. Keine Chips bedeuten keine Produktion, die Anmeldung von Kurzarbeit und die Mitteilung an den Zulieferer, dass das Werk geschlossen wird. Der Zulieferer hatte keine Vorlaufzeit, sich darauf vorzubereiten. Diese Amplituden, egal ob hoch tief, tun dann doppelt weh. Flexibel auf externe Faktoren zu reagieren, ist so oder so schon eine große Herausforderung, aber bei fehlender Transparenz ist dies eine wirkliche Mammut-Aufgabe.

Haben Sie Ihre Dienstleistungen an die aktuelle Situation angepasst?

Späth: Bisher haben wir den Fokus auf das Thema Frachtkosten gelegt und sind mit unserem Team „Freight Plus“ für die Kunden in Ausschreibungen gegangen. Das funktioniert jetzt aber nur noch in bestimmten Bereichen, weil der Markt sich aus verschiedenen Gründen geändert hat. Die Aufgabenstellung lautet trotzdem, unseren Kunden zu Einsparungen zu verhelfen. Deshalb empfehlen wir nun, im Detail aufschlüsseln, was man denn überhaupt für Logistikkosten hat, um dann zu sehen, welche Einsparpotenziale es gibt.

Wie verhilft die Logistikberatung Chaindson seinen Kunden zu mehr Risikoresistenz?

Späth: Wir betrachten den Prozess immer End-to-End; versuchen, Wirkzusammenhänge zu erkennen und arbeiten uns vom Symptom vor zur Ursache. Meistens liegt diese in der dispositiven Kette. Und hier gilt es, die Sinne zu schärfen: Ja, die Supply Chain ist – wie der Name schon sagt – eine Kette. Es müssen jedoch auch die Verbindungspunkte zwischen der operativen und der dispositiven Ebene geschaffen werden. Wenn die Ketten ohne Connect parallel laufen, erfolgt immer eine Rückwärtsbetrachtung von Ereignissen und Symptomen.

Warum tun sich viele Unternehmen Ihrer Meinung nach immer noch so schwer damit, resiliente Lieferketten aufzubauen?

Späth: Das liegt an dem Silodenken, das leider immer noch in vielen Betrieben vorherrscht. Skizzieren wir die Problematik mal am Beispiel eines Produktionsbetriebes in Pandemiezeiten: Wir haben einen Verkauf, einen Einkauf und eine Produktion, alle drei Bereiche haben ihre Disposition. Der Einkäufer trifft die Entscheidung, aufgrund von reduzierten Kundenbedarfen (z. B. bedingt durch eine Pandemie) alle beim Lieferanten getätigten Bestellungen zu stornieren. Dem Unternehmen hat er aus seiner Sicht somit mal eben 500.000€ eingespart. Seine beiden Kollegen in Verkauf und Produktion wussten von seiner Entscheidung jedoch nichts.

Sobald das Werk mit neuen Kundenaufträgen wieder aufmacht, zeichnet sich die Katastrophe langsam ab. Die Neubestellungen beim asiatischen Lieferanten haben eine Lieferzeit von mehreren Monaten. Das Material ist folglich nicht verfügbar, die Produktion kann nicht anlaufen. So ähnlich haben wir es in der Automobilindustrie gesehen. Selbst die Schwachstellen komplexer Konzerne lassen sich auf diese fehlende Transparenz zurückführen und diesen Disconnect erkennen. Hier greift die gleiche Mechanik.

Welche Rolle spielen IT und Digitalisierung in dieser Betrachtungsweise?

Späth: Bei der Transparenz geht es ja schlichtweg um Daten und noch viel wichtiger, Daten zu Informationen aufzubereiten. Auch Mittelständler haben IT-Systeme und Daten – diese werden jedoch oft nicht visualisiert. Oder man bekommt gar keinen oder erst späten Zugriff auf Daten und Auswertungen. Dann lassen sich Aussagen nur noch zeitverzögert treffen. Dabei geht es bei Kennzahlen ja gar nicht darum, jemanden mit Daten zu erschlagen. Es geht darum, Zahlen intelligent aufzubereiten, so zu visualisieren, dass aus den Daten Informationen entstehen.

Ein gutes Beispiel sind Reichweiten. Wenn ich die Top Ten meiner insgesamt 380 Lieferanten sehen möchte, die meine Lieferketten zum Stillstehen bringen, hilft eine Herangehensweise nach dem Pareto-Prinzip. Auch Lieferzeiten und die Sourcing-Strategie müssen bedacht werden. Nur so können Zusammenhänge ganzheitlich betrachtet werden. Wer auf die Frage, ob man ein ERP-System im Einsatz habe, mit ,Ja‘ antworten kann, ist nicht automatisch auch digitalisiert. So funktioniert das nicht. Es geht darum, aus den Terrabyte von Daten intelligente Visualisierungen zu generieren.

„Ein Logistik-Check-up ist in Krisenzeiten sehr gefragt“

Logistikberatung Chaindson feiert 10-jähriges Jubiläum

Die Logistikberatung mit Sitz in Mülheim-Kärlich bei Koblenz feiert dieses Jahr ihr 10-jähriges Bestehen. Gegründet wurde die Firma 2013 als Tochtergesellschaft der Elsen Logistik GmbH, mit dem Ziel, die Ertragslage von produzierenden Industrieunternehmen und Logistikdienstleistern zu verbessern. Mit der Kombination von Beratung und Umsetzung hat sich das Unternehmen erfolgreich am Markt etabliert. Thomas Klein, Geschäftsführer der Chaindson und CEO der Elsen-Unternehmensgruppe: „Wir differenzieren uns von anderen Beratungen, indem unsere Leistung nicht mit der Beratung endet. Die operative Umsetzung der aufgezeigten Optimierungspotenziale können wir mithilfe unserer eigenen Logistiksparte leisten.“ Spezialisiert hat sich die Logistikberatung auf die Analyse von materialwirtschaftlichen Prozessen sowie die ganzheitliche Umsetzung von daraus resultierenden Optimierungskonzepten. Heute zählen unter anderem Automobilzulieferer, Unternehmen aus dem Maschinenbau und der Elektroindustrie sowie Organisationen aus dem Gesundheitswesen zu den Chaindson-Kunden.

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