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Wie der Mobilitätswandel die Lieferketten verändert

E-Autos und autonome Fahrzeuge
Wie der Mobilitätswandel die Lieferketten verändert

Wie der Mobilitätswandel die Lieferketten verändert
Wenn Fahrzeuge immer intelligenter werden, müssen die Lieferketten diesem Trend folgen. Bild: SergeyBitos/stock.adobe.com
Die Nachfrage nach Elektroautos und autonomen Fahrzeugen verändert die Automobilindustrie nachhaltig. Der Wandel verlangt nach neuen Materialien, Technologien und Zulieferern sowie der nötigen Ladeinfrastruktur. Das wirkt sich auch auf die Lieferketten aus.

Autor: Andreas Brock, Senior Director Customer Solutions bei e2open

Aufgrund der unterschiedlichen Stücklistenkonfigurationen und Spezialteile sowie der Möglichkeit von Remote-Reparaturen zählen die sogenannten intelligenten Fahrzeuge zu den technologisch fortschrittlichsten, aber auch kompliziertesten Produkten in der Herstellung. Der jährliche „Global Electric Vehicle Outlook“ der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigt darüber hinaus, dass im Jahr 2022 weltweit mehr als 10 Millionen Elektroautos verkauft wurden und dass die Verkäufe 2023 um weitere 35 Prozent auf rund 14 Millionen ansteigen sollen. Damit stehen die Hersteller vor der Herausforderung, die Fahrzeuge in entsprechenden Stückzahlen zu produzieren. Hinzu kommen immer strengere Vorschriften und steigende Kundenerwartungen.

Zunehmende Komplexität setzt Hersteller unter Druck

In der Vergangenheit waren die Lieferketten in der Automobilindustrie oftmals nicht zusammenhängend und endeten bereits bei dem Hauptlieferanten (Tier-1). Die Gründe: mangelnde Integration, schlechte Daten, isolierte Entscheidungen und eine reaktive Haltung der Verantwortlichen. Die zunehmende Komplexität der Fahrzeuge und Lieferengpässe setzen die Hersteller zusätzlich unter Druck.

Ob in der Fertigung von Ladestationen oder bei Software-Updates: Noch nie hat es in der Branche so starke Nachfrageschwankungen und Unsicherheiten gegeben. Die Hersteller sollten alles tun, um eine konstante Versorgung sicherzustellen. Denn die Volatilität von Angebot und Nachfrage kann die Kundenbindung gefährden: Sind Fahrzeuge nicht ohne Weiteres verfügbar, gehen die potenziellen Käufer woanders hin.

Ein guter Überblick ist das A und O

Wichtig ist daher eine Übersicht über die Bestände der verschiedenen Zulieferer. Nur damit behalten die Hersteller die Lieferrisiken im Blick, die gravierende Auswirkungen auf die Fertigung haben können. Ein einziges Problem bei Tausenden von Lieferanten auf mehreren Ebenen kann ganze Produktionslinien zum Stillstand bringen. Aufgrund der Komplexität der neuen Fahrzeuge und der Vielzahl an benötigten Komponenten greifen Hersteller und Zulieferer häufig auf Überbestände zurück. Dies verschärft jedoch nur die bestehenden Engpässe. Zudem wird damit Kapital gebunden, das sich an anderer Stelle besser einsetzen ließe.

Mit der Vielzahl von Konfigurationsoptionen, einem Übergang von der Lager- zur Auftragsfertigung und zusätzlichen Lieferanten neuer Technologien wird die Komplexität weiter zunehmen. Um Störungen von Angebot und Nachfrage zu vermeiden, sollten die Hersteller alle Systeme, Komponenten und Materialien sowie die Aktivitäten ihrer Händler, Lieferanten, Kunden und Recycling-Unternehmen permanent überwachen. Neben einem hohen Maß an Transparenz sollten sie auch neue Lieferantenbeziehungen aufbauen.

Lieferkettengesetz setzt Hersteller unter Druck

Die Lieferketten stehen nicht nur durch die hohen Nachfrageschwankungen unter Druck, die auf die wirtschaftliche Situation sowie auf das Ende von staatlichen Subventionen zurückzuführen sind. Auch die Preise sowie Knappheit von Rohstoffen und rechtliche Vorgaben sorgen für zusätzliche Herausforderungen bei den Automobilherstellern.

Die Produktion von Elektrofahrzeugen und insbesondere Batterien hängt unter anderem von seltenen Erden ab – diese Rohstoffe kommen oft aus Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo oder der Volksrepublik China. Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) stehen OEMs noch mehr in der Pflicht, ihre Lieferketten zu überprüfen und eine vollständige Übersicht über die Zulieferer zu haben – egal, ob es sich um mittelbare oder unmittelbare Zulieferer handelt, im Zweifel bis zum Rohstofflieferanten. So soll beispielsweise sichergestellt werden, dass die Waren nicht durch Zwangsarbeit oder gar Kinderarbeit hergestellt wurden.

Hinzu kommt der Trend zur Individualisierung. Die Stückliste für jedes Fahrzeug ändert sich also stetig. Bei über 30.000 Teilen pro Fahrzeug bedeutet das für OEMs eine große Verantwortung und vor allem einen enormen Aufwand. In der Vergangenheit haben sich die Automobilhersteller vor allem auf die Überprüfung von Tier-1-Lieferanten konzentriert und diese für potenzielle Risiken und Menschenrechtsverletzungen in der vorgelagerten Supply Chain verantwortlich gemacht. Mit dem LkSG ist dies nun nicht mehr möglich. Erste Beschwerden gegen Volkswagen, BMW und Mercedes wurden bereits eingereicht, da sie angeblich nicht genug gegen Menschenrechtsverletzungen in der Region Xinjiang in China unternehmen würden.

Dabei gibt es Gesetze zum Schutz der Zwangsarbeit nicht nur in Deutschland – auch in den USA und Großbritannien existieren ähnliche Regulierungen und die EU diskutiert aktuell über ein verbindliches Gesetz für alle Mitgliedsstaaten. Bei einem Verstoß erwarten Unternehmen erhebliche Geldstrafen.

Die Lösung: Vernetzte, datengestützte Lieferketten

Die Fülle an Zulieferern und Stakeholdern mag auf den ersten Blick entmutigend wirken. Der Übergang zu modernen, kollaborativen Lieferketten macht die Hersteller aber auch widerstandsfähiger. Es geht heute nicht mehr um einzelne Zulieferer, sondern um ein gesamtes Ökosystem. Durch eine mehrstufige, vernetzte Lieferkette und unterstützende Technologien, die Daten auf einer Plattform zusammenführen, können die Anbieter die Auswirkungen von Verzögerungen oder Störungen besser verstehen und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen.

Die Integration von Lieferanten und Handelspartnern über verschiedene Ebenen und Ökosysteme hinweg stärkt den Informationsaustausch in Echtzeit sowie die Zusammenarbeit. Auch das macht die Hersteller widerstandsfähiger. Genaue, sichere und harmonisierte Daten, die entscheidungsrelevante Einblicke ermöglichen und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften vereinfachen, sorgen für Vertrauen und Agilität.

Wichtig sind Kooperation und Transparenz

Mit datengestützten Entscheidungen lassen sich die Auswirkungen von Störungen oder Verzögerungen in der Lieferkette minimieren. Gleichzeitig sind Unternehmen auf der Basis vernetzter Daten in der Lage, vorausschauende Maßnahmen zu ergreifen, um die Produktivität zu verbessern, die Versorgungssicherheit zu erhöhen und die Vorlaufzeiten zu verkürzen. So lassen sich in der Bestandsoptimierung abgestimmte Pläne über mehrere Zeithorizonte hinweg erstellen. Damit erhalten die Hersteller genaue Angaben zur Material- und Kapazitätsverfügbarkeit und können ihre Entscheidungen danach ausrichten. Eine kooperative Planung und das hohe Maß an Transparenz ermöglichen es ihnen, anhand von Daten Sicherheitsbestände zu reduzieren oder auszugleichen. Das spart Zeit und Kosten ein und führt zu genaueren Prognosen.

Wenn Fahrzeuge immer intelligenter werden, müssen die Lieferketten diesem Trend folgen. Die traditionelle Supply Chain in der Automobilindustrie ist nicht mehr zielführend. Jahrzehntelang standen Kostenoptimierung, Outsourcing und Globalisierung auf der Agenda der Hersteller ganz oben. Das hat die Lieferketten kosteneffizienter gemacht – aber auch anfälliger. Denn was früher funktioniert hat, ist heute nicht mehr zeitgemäß. Damit die Umstellung auf Elektroautos und intelligente Fahrzeuge klappt, müssen die Automobilhersteller ihre Lieferketten weiterentwickeln. Ansonsten riskieren sie, von der Konkurrenz abgehängt zu werden.

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