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Fachkräfte halten und beim digitalen Wandel mitnehmen

Personalentwicklung im Einkauf
Fachkräfte halten und beim digitalen Wandel mitnehmen

Konsequentes Changemanagement wird in Digital-Projekten oft vergessen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das verheerend, meinen die Beraterinnen Pia Breidenbach und Yarah Westerveld. Was Führungskräfte tun können, um Einkäuferinnen und Einkäufer im digitalen Wandel bei der Stange zu halten, erklären sie im Interview.

Beschaffung aktuell: Frau Breidenbach, Frau Westerveld, wenn Sie sich in den Unternehmen umschauen, was fehlt dem Einkauf heute am meisten?

Pia Breidenbach: „Oh, so einiges … (lacht), aber ein wirklich drängendes Thema ist neben den vielen Problemen, mit denen sich der Einkauf heute auseinandersetzen muss, die Personalknappheit. Die Arbeitslast von Einkäuferinnen und Einkäufern war schon vor der Krise hoch und ist seitdem enorm gestiegen. Fachkräfte zu finden wird immer schwieriger. Meine Wahrnehmung ist: Viele Firmen haben die Knappheit noch nicht wirklich verstanden. Anstatt die vorhandenen Talente von Bewerberinnen und Bewerbern und Mitarbeitenden zu nutzen, suchen sie weiterhin nach der „eierlegenden Wollmilchsau“. Die war schon früher schwer zu finden, heute ist sie praktisch ausgestorben.

Pia Breidenbach
Pia Breidenbach ist Project Managerin bei der amc Group
Bild: amc

Und in den Teams, wie geht es dem Einkauf nach zweieinhalb Jahren Krise? Wie steht es um die Digitalisierung?

Yarah Westerveld: Das kommt ganz darauf an, wie die Organisation aufgestellt ist. Je moderner und strukturierter, desto besser sind die Teams durch die Krise gekommen. Die, die ihre digitale Roadmap haben, kennen ihre Herausforderungen und arbeiten die Projekte schrittweise ab. Abteilungen, die noch stark operativ, „Excel- und E-Mail-lastig“ unterwegs sind, wo das Wissen vor allem in den Köpfen steckt und wenig standardisiert ist, die stehen jetzt am Fuß des Berges und müssen erst mal loslaufen. Entscheidend ist, dass sie wissen, wo sie hinwollen. Dass die Vision und die Ziele stehen.

Was bringen Pläne und Ziele, wenn die Welt sich sowieso ständig ändert?

Yarah Westerveld
Yarah Westerveld ist Senior Consultant bei amc
Bild: amc

Westerveld: Tatsächlich sind Pläne in Digitalprojekten oft zu starr. Pläne sollten Veränderungen zulassen. Ich muss den Weg in verdaubare Häppchen unterteilen und die unterschiedlichen Bedürfnisse der Beteiligten berücksichtigen: Manche brauchen Motivation, anderen stürmen los. Ganz wichtig ist, sich zwischendurch immer mal wieder zu fragen: Wieso ist uns dieses Ziel so wichtig, passt es noch zu den Rahmenbedingungen und zu unserer Vision?

Zögerer und Zauderer gibt es überall, wie bekomme ich die an Bord?

Breidenbach: Sie sind für Changeprojekte nicht die einzige Herausforderung. Es gibt auch die Kolleginnen und Kollegen, die den Rest durch ihre Schnelligkeit überfordern. Das muss man als Führungskraft gut im Auge behalten. Die Ängstlichen brauchen Struktur und realistische Ziele, die sich leicht verdauen und umsetzen lassen. Die Motivierten müssen wissen, dass es nicht damit getan ist, eine Idee auszusprechen und der Rest von alleine läuft. Auch Führungskräfte machen diesen Fehler. Neue Tools, neue Stammdaten, das alles muss von einer Organisation gelebt werden. Im Projektteam sollten sich deshalb alle Persönlichkeiten wiederfinden. Ins Projekt nur die Motivierten zu holen, führt am Ende zu einem bösen Erwachen.

Westerveld: Hilfreich sind digitale Tools, ein digitales Kanban-Board, über das sich die Beteiligten ihre Ressourcen selbst einteilen können. Aber: Auch das braucht Begleitung und muss konsequent gepflegt werden. Kanban ersetzt nicht das Projektmanagement!

Welche Aufgaben hat modernes Projektmanagement?

Westerveld: Der Führungsstil hat sich verändert. Führungskräfte und Projektmanagerinnen müssen nicht mehr alles wissen. Sie müssen die Projektmitglieder aber an ihre Ziele erinnern, sie motivieren Lösungen zu erarbeiten, Kompromisse zu finden. Coachen, moderieren, ermöglichen, das sind die Aufgaben einer modernen Projektleitung. Nachzufragen, an welchen Ressourcen es liegt, wenn Dinge ins Stocken geraten. Sich um das Wissensmanagement zu kümmern. Die Fähigkeiten und Ausbildung der beteiligten Personen sind ausschlaggebend für den Erfolg digitaler Projekte.

Breidenbach: Je virtueller Projekte gemanagt werden, umso wichtiger ist, die großen und kleine Erfolge bewusst zu feiern. Wenn das spontane sich gegenseitig auf die Schultern klopfen im Alltag fehlt, muss ich das als Führungskraft in hybriden Teams initiieren. Auch die Teambildung ist herausfordernd. Sie muss in hybriden Teams eng begleitet werden.

Wird in die Aus- und Weiterbildung des Einkaufs ausreichend investiert?

Breidenbach: Dazu möchte ich etwas vorwegschicken. Was Projektleiter und Projektleiterinnen oft vergessen: Sie arbeiten in den meisten Digitalprojekten nicht mit den Talenten von Google oder Amazon zusammen, sondern mit Menschen, die ihren Job gut, aber auch mal weniger gut machen. Das ist wichtig, damit man versteht, wieso die Dinge intern wie extern nicht immer so umgesetzt werden, wie man sich das als Projektteam vorstellt. Da braucht es – auch angesichts des Fachkräftemangels – einfach eine gesunde Portion Realismus.

… und im Einkauf?

Breidenbach: Auch hier gilt es, die Menschen nicht zu überfordern, sondern in die Personalentwicklung zu investieren. Die Rollen und Funktionen im Einkauf werden in der digitalen Welt neu definiert. Das kann für den einen gut funktionieren, vielleicht braucht sie oder er aber auch ein Einsatzfeld an anderer Stelle. Hier sehe ich HR in der Pflicht, schließlich will man die knappen Fachkräfte nicht verlieren, sondern halten – und sei es an anderer Stelle im Unternehmen. Moderner Einkauf bedeutet Zusammenarbeit, Kommunikation und netzwerken. Es sitzt niemand mehr alleine mit seinem Telefon vor dem PC. Das Problem ist: Viele Führungskräfte haben Angst, das mit ihrem Team offen zu besprechen.

Westerveld: Es muss klar sein, welche Rollen brauchen wir für die neue Organisation. Welche Anforderungen stellen wir, was ist im Team an Skills vorhanden, was nicht. Was muss neu gelernt werden, welche Personen können die neuen Rollen ausfüllen. Der Workload im Einkauf ist hoch. Viele Leute kommen nicht mehr mit. Wir müssen den Einkauf schulen und systematisch entwickeln. Wenn der Druck zu hoch wird, suchen sich die Menschen eine neue Beschäftigung. Für den Einkauf wäre das fatal.

Wenn der Einkauf immer mehr Aufgaben mit immer weniger Fachkräften erledigen muss, ist Digitalisierung dann nicht der Königsweg?

Breidenbach: Digitalisierung im Einkauf ist unverzichtbar, schon allein aus Gründen der Datentransparenz, Agilität und Resilienz. Gleichzeitig hilft sie, die Arbeit im Einkauf so zu organisieren, dass ich Aufgaben besser verteilen und portionieren kann. Digitale Strukturen erlauben, Themen gemeinsam zu bearbeiten, Teilzeitkräfte zu integrieren, ermöglichen auch für die Führung Tandemmodelle. Die meisten Stellen im Einkauf sind als Vollzeitjobs ausgeschrieben. Eltern, die in Teilzeit arbeiten wollen, bewerben sich oft gar nicht. Auch die Integration ausländischer Fachkräfte ist oft schwierig. Doch perfekte Deutschkenntnisse bringt nun mal nicht jeder mit. Hier ist ein Umdenken gefragt. Die Basis für mehr Flexibilität legt die Digitalisierung. Ausfüllen muss es – wie immer – der Mensch.

Westerveld: Hier kann der Einkauf sehr viel von den IT-Abteilungen lernen. Die sind sehr flexibel aufgestellt, arbeiten mit Ticketsystemen, oftmals remote und sehr international. Das kann auch für den digital organisierten Einkauf ein Modell für die Zukunft sein.

Das Gespräch führte Annette Mühlberger.

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