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Barbara Frenkel, Porsche: „Mir macht es Freude, wenn sich Menschen weiterentwickeln“

Barbara Frenkel, Mitglied des Vorstands Beschaffung, Porsche AG, Teil 3
„Mir macht es Freude, wenn sich Menschen weiterentwickeln und erfolgreich werden“

„Mir macht es Freude, wenn sich Menschen weiterentwickeln und erfolgreich werden“
Barbara Frenkel ist Mitglied des Porsche-Vorstandes und leitet seit Juni 2021 das Ressort Beschaffung: »Wir müssen gemeinsam damit umgehen, dass nicht alles jeden Tag nach Plan laufen kann.« Bild: Porsche
Im dritten Teil unseres Interviews sprechen wir mit Barbara Frenkel über den möglichen Einsatz von 3D-Druck, wie der Einkauf bei Porsche in den Produktentstehungsprozess eingebunden ist, die Zusammenarbeit mit Lieferanten in Bezug auf Nachhaltigkeit und wie sie sich um den Nachwuchs bei Porsche kümmert.

Beschaffung aktuell: Ist der 3D-Druck für technischen Bauteile eine Option für Porsche?

Frenkel: Wir nutzen die additive Fertigungstechnik schon seit vielen Jahren für besondere Einsätze. Im Prototypenbau können wir mit dem 3D-Druck Bauteile schnell produzieren und verschiedene Konzepte testen. Etwa Komponenten mit neuen Geometrien herstellen, die in einem Gussteil so nicht formbar sind. Damit können wir etwa neue Kühlungen ausprobieren oder auch andere Materialien. Es gibt ein schönes Beispiel aus unserem Motorenbau: Für einen 911 GT2 RS haben wir die Kolben im so genannten Laser-Metall-Fusion-Verfahren aus hochreinem Metallpulver gedruckt. Diese sind zehn Prozent leichter als die serienmäßigen Schmiede-Kolben. Zudem verfügen sie über einen integrierten und geschlossenen Kühlkanal im Kolbenboden, der mit herkömmlichen Verfahren nicht herstellbar gewesen wäre. Durch somit höhere Motordrehzahlen bei niedrigerer Temperaturbelastung wird die Verbrennung optimiert. Dadurch sind bis zu 30 PS mehr Leistung aus dem 700 PS starken Biturbo-Motor denkbar – und das bei höherer Effizienz.

Wir nutzen die additive Fertigungstechnik auch für unsere Klassik-Fahrzeuge. Dazu muss man wissen, dass viele Porsche-Fahrzeuge zum Teil mehrere Jahrzehnte auf der Straße sind. Da werden Bauteile angefordert, die schlicht nicht mehr hergestellt werden. Diese seltenen Teile lassen wir ebenfalls heute schon im 3D-Druck herstellen.

 

Wir haben durch Gespräche mit den Chipherstellern in der Beschaffung Know-how und unser Netzwerk ausgebaut.

 

 Wäre das nicht auch für Teile Ihrer Klein-Serien zukünftig eine interessante Alternative?

Frenkel: Für unsere aktuellen Baureihen ist das noch keine Option. Allerdings beobachten wir diese – auch wirtschaftlich wettbewerbsfähige – Technologie mit großem Interesse. So bietet 3D-Druck auch bei der Individualisierung spannende Möglichkeiten.

Wie ist der Einkauf in die Produktentstehungsprozesse eingebunden?

Frenkel: Sehr eng. Unsere Beschaffer arbeiten ab der frühen Phase entlang des Produktentstehungsprozesses (PEP) mit den Entwicklern und allen relevanten Fachbereichen zusammen. Deren Ziel ist es, gemeinsam Lösungen und Partner zu finden, um Innovationen und clevere Konzepte in unsere Fahrzeuge einzubringen. Diese holen wir dann über das so genannte Forward Sourcing ins Unternehmen.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Einsatz der Halbleiter: Wir haben durch unsere direkten Gespräche mit den Chipherstellern in der Beschaffung Know-how und unser Netzwerk ausgebaut. Dadurch konnten wir neue Impulse in die Entwicklung bringen. Hierbei sind kurze Wege hilfreich. Deshalb sitzt die Beschaffung auch in Weissach – Tür an Tür mit Forschung und Entwicklung. Mein Vorstandskollege Michael Steiner und ich haben hier unser Büro.

„Es gilt, die Lieferanten auf den Weg der Transformation mitzunehmen“

Wie lässt sich der Beitrag des Einkaufs an der Innovation eines Unternehmens messen? Haben Sie hierfür die richtigen KPI?

Frenkel: Die Beschaffung leistet hier einen vielfältigen Beitrag. Den kann man nicht mit nur einem KPI abdecken. Uns ist wichtig, dass es einen regelmäßigen Austausch mit den Lieferanten gibt. Dass sie zu uns kommen, ihre Innovationen präsentieren. Wir nehmen uns vor, jedes Jahr eine bestimmte Anzahl an Konzept-Workshops mit den Lieferanten zu machen und dort Impulse aufzunehmen.

Gibt es Zielwerte zur Messung des Erfolgsanteils an der Nachhaltigkeit?

Frenkel: Beim Thema Nachhaltigkeit betrachten wir ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Zum Beispiel haben wir bei wesentlichen Bauteilen für aktuelle Fahrzeugprojekte individuelle Dekarbonisierungsziele festgelegt. Jedes Bauteil soll dadurch CO2– effizienter werden als sein Vorgänger.

In Zukunft werden wir auch den Recycling-Anteil in den Fahrzeugen weiter erhöhen. Wir wollen bereits verwendetes Material noch stärker in den Kreislauf zurückholen. Dazu gibt es Zielwerte.

Seit 2021 fordern wir von den Serienlieferanten für neue Fahrzeugprojekte, unsere Produkte mit erneuerbaren Energien herzustellen. Ich bin froh, dass wir alle motivieren konnten, mit uns auf diese grüne Reise zu gehen. Insbesondere bei der energieintensiven Batterie-Produktion ist das ein Asset.

Schon vor einigen Jahren haben wir unser sogenanntes S-Rating eingeführt. Damit sind direkte Lieferanten nur dann vergabefähig, wenn sie unsere Nachhaltigkeitsanforderungen bestätigen. Mit Sicherheit werden noch mehr Aspekte dazukommen. Denn wir entwickeln uns weiter. Aber auch, weil von den Lieferanten gute Vorschläge zu nachhaltigen Lösungen kommen. Das fordern wir ein. Es steckt aber auch viel Eigeninitiative der Lieferanten dahinter. Das sind Win-win-Geschichten, bei denen wir gemeinsam mit unseren Partnern die Zukunft gestalten.

„Viele Lieferanten haben erkannt, dass sie eine Verantwortung für sich und die nachfolgenden Generationen haben.“

Ist angesichts der aktuellen Probleme eine, sagen wir mal, „Nachhaltigkeits-Müdigkeit“ bei den Lieferanten zu erkennen?

Frenkel: Ganz im Gegenteil. Zu Beginn hatten einige Lieferanten sicherlich Bedenken, dass nachhaltiges Wirtschaften mehr koste und ein Wettbewerbsnachteil sei. Nachhaltigkeit ist aber eine Voraussetzung, um gemeinsam mit uns in die Zukunft zu gehen. Dabei gilt: Je mehr Dekarbonisierungspotenzial ein Lieferant hat, je nachhaltiger er arbeitet, desto interessanter wird sein Produkt für uns. Das motiviert. Mittlerweile haben viele Lieferanten erkannt, dass sie eine Verantwortung für sich und die nachfolgenden Generationen haben. Um unseren Kindern den Planeten in einem lebenswerten Zustand übergeben zu können, müssen wir einiges ändern.

Unsere Standorte Zuffenhausen, Leipzig und Weissach sind schon heute bilanziell CO2-neutral. Wir streben an, im Jahr 2030 über 80 Prozent unserer Neufahrzeuge als rein elektrische Modelle auszuliefern. Dieses Ziel erreichen wir nur gemeinsam mit den Lieferanten.

Insgesamt bin ich zuversichtlich. Bei unseren Fahrzeugprojekten ist es uns gelungen, viele Nachhaltigkeitsideen kostenneutral umzusetzen.

Nachhaltigkeit ist eine Voraussetzung, um gemeinsam mit uns in die Zukunft zu gehen.

Das klingt überzeugend.

Frenkel: Uns kommt zugute, dass wir bislang gut gewirtschaftet haben. Bereits vor der Krise haben wir Rohstoffe und Energie eingespart.

Eines Ihrer Ziele ist, den Frauenanteil auszubauen. Bei Porsche insgesamt liegt er bei 19 Prozent. Wie sieht es im Einkauf aus?

Frenkel: Wir haben einen Frauenanteil von 37 Prozent in der Beschaffung. Das ist schon gut. Vor allem bei Management-Positionen ist aber noch Luft nach oben. Wir wollen den Kolleginnen im Unternehmen die Chance geben, sich nach oben zu entwickeln. Es geht darum, sichtbar zu werden, Verantwortung zu übernehmen. Klar ist aber auch: Porsche ist eine sportliche Marke – und so geht es bei uns im Team zu. Man muss Leistung und Leistungsbereitschaft zeigen – unabhängig vom Geschlecht. Mir macht es Freude, wenn sich Menschen weiterentwickeln und erfolgreich werden. Dabei unterstütze ich als Mentorin.

„In 45 Minuten versuche ich etwas vom dem, was ich in meiner Karriere gelernt habe, weiterzugeben.“

Haben Sie Tipps, wie Sie die Menschen mitnehmen?

Frenkel: Es gibt nicht den einen Tipp. Ich engagiere mich beispielsweise im Porsche-Frauennetzwerk, gebe dort meine Erfahrungen weiter. Oder ich beantworte Fragen, die nicht nur junge Frauen umtreiben, sondern viele, die am Beginn ihrer Karriere stehen. Zusätzlich habe ich in der Beschaffung ein Espresso-Frühstück eingeführt. Das nennt sich: „Ask Barbara anything at eight.“ Morgens um acht Uhr lade ich acht Kollegen aus unterschiedlichen Ebenen des Unternehmens ein. In 45 Minuten versuche ich etwas vom dem, was ich in meiner Karriere gelernt habe, weiterzugeben.

Wie wählen Sie die Teilnehmer aus?

Frenkel: Das ist ganz unterschiedlich. Interessierte Mitarbeiter können sich selbst bewerben, werden von ihren Führungskräften nominiert oder ich wähle jemanden aus. Zum Beispiel alle Kollegen, die im vergangenen Jahr neu in die Beschaffung gekommen sind.

Die Gesprächsatmosphäre ist sehr offen, weil es immer kleine Runden sind. Für mich ist das ein Zeichen der Wertschätzung. Die Runden sind aber keine Einbahnstraße. Mich interessiert auch, was die Menschen umtreibt. Welche Ideen sie haben und was wir gemeinsam verbessern können.

Wirklich ein cooles Format.

Frenkel: Wertschätzung, Zuhören und Offenheit gehören zu meinem Führungsstil. Denn die Ergebnisse erzielen wir im Team. Keine Organisation und kein Prozess machen die Geschäfte. Es sind die Menschen. Und deswegen ist es wichtig, Anerkennung auszusprechen – für die erbrachte Leistung, den Einsatz, aber auch die Leidensfähigkeit, Krisen durchzustehen. Auf diese Art und Weise möchte ich den Dank zurückzugeben.

Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews mit Barbara Frenkel, Einkaufsvorständin der Porsche AG.

Hier geht es zum zweiten Teil des Interviews mit Barbara Frenkel, Einkaufsvorständin der Porsche AG.

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